Laudatio für Ärzte & Co.

Das Gehörte

Ich glaube, wir haben fast alle Freunde, Bekannte oder Verwandte, die im medizinischen Bereich tätig sind. Und wir haben alle ihre Geschichten gehört – die Geschichten darüber, dass Stellen abgebaut werden, obwohl schon mit diesen Stellen die Arbeit kaum zu schaffen war. Oder darüber, dass diese unglaublich verantwortungsvollen Berufe (zumindest in der Pflege) in keinster Weise entsprechend entlohnt werden.

Wir haben Geschichten gehört, dass Ärztinnen und Pfleger komplett überarbeitet sind und kurz vor dem Burnout stehen. Oder von dem Arzt, der gleich eine komplizierte OP durchführen soll, um Leben zu retten, der aber selbst aussieht wie eine Leiche.

Wir alle haben diese Geschichten gehört und haben wahrscheinlich Mitleid empfunden. Vielleicht hat sich in uns auch kurz eine leise Empörung geregt, dass diese Missstände doch nicht sein dürften!

Trotzdem haben wir schon bei nächster Gelegenheit – als wir mal wieder negative Geschichten über einen schlechten Arzt oder ein schlechtes Krankenhaus hörten – unsere eigenen negativen Erfahrungen mit Ärztinnen oder Arzthelfern beigesteuert.

Oder wir haben sogar Geschichten erzählt, die wir irgendwann mal gehört haben, von einem, der sie mal gehört hat, der sie auch gehört hat… nur um noch ein bisschen Öl ins Feuer zu gießen. Und natürlich um die Gesprächspartner gut zu unterhalten.

Und um damit leider (unterbewusst) unseren Köpfen zu vermitteln und ihnen einzuprägen: „Alle Ärzte sind unmenschlich. Sie haben keinen Bock mehr auf ihren Job. Ärztinnen gehen schlecht mit ihren Patienten um. Und in den Krankenhäusern ist sowieso alles noch schlimmer.“ (Und versteht mich richtig: Ich gehöre auch zu diesem „wir“!)

Das Erlebte

Und dann komme ich, zum ersten Mal in meinem Leben, selbst stationär in ein Krankenhaus. Ich erlebe hautnah mit, was die Menschen dort alles leisten. Wie viel Mühe sie sich geben. Dass sie ihr Bestes geben, auch dann noch freundlich zu sein, wenn sie schon von 5 Patienten angemault wurden, wo denn das Frühstück bleibt.

Ich sehe Ärzte, die alles versuchen, um ihren Patienten zu helfen. Ich bemerke Schwestern, die nachts allein die Station schmeißen müssen, weil die Kollegen alle krank sind. Pfleger, die sich allein um über 20 Patienten kümmern müssen. Ständig blinken mindestens 5 Zimmer rot, weil der „Schwestern-Rufknopf“ gedrückt wurde. Vielleicht, weil Hilfe benötigt wird, vielleicht aber auch, weil die demente Patientin nur vergessen hat, dass und warum sie den Knopf gedrückt hat. Da sind Schwestern, die früh morgens um 5 total erschöpft zu mir kommen und trotz allem mit einem freundlichen lächelnden „Guten Morgen!“ meine Infusionsnadel vorsichtig reinigen und mich „an den Tropf hängen“.

Ich komme in das nächste Krankenhaus und erlebe Ärzte, die sich mit mir und meinem Mann hinsetzen, sich Zeit für uns nehmen, uns ausführlich über den Eingriff aufklären. Sie beantworten Fragen sachlich kompetent. Sie bewerten die Situation realistisch und freundlich.

Ich begegne Ärztinnen, die sich zu mir ans Bett setzen und mir so schonend wie möglich meine Therapie mitteilen – mit allen möglichen Nebenwirkungen. Die sich Zeit für meine Fragen nehmen, die meine Beschwerden ernst nehmen und ihnen bestmöglich auf den Grund gehen wollen. Ärztinnen, die auf meine Ängste eingehen und zusätzliche Untersuchungen durchführen.

Ich erlebe eine Krankenschwester, die mir während der Biopsie einfach die Hand hält! Ich weiß, ich bin eigentlich erwachsen und kein kleines Kind mehr – aber das tat einfach gut und hat mir enorm geholfen. 🙂 Diese Schwester, bis heute meine Lieblingsschwester, bringt mich immer, wenn ich sie treffe, zum Lachen und hilft mir, mich zu entspannen.

Ich lerne Reinigungskräfte kennen, die in einer unglaublichen Geschwindigkeit die Zimmer, Betten und Bäder gründlich säubern. Immer freundlich. Jeden Tag wieder. Ich lerne witzige junge Männer kennen, die die Patienten zu ihren Untersuchungen oder OP-Terminen bringen und versuchen diese zum Lachen zu bringen, um die Situation etwas zu entspannen. Ich lerne Küchenpersonal kennen, die die zu viel bestellten Essensportionen meinem Mann schenken, wenn er mich während der Essenszeiten besucht.

Ich lerne Pfleger in der Notaufnahme kennen, die versuchen alles möglich zu machen, damit ich so schnell wie möglich drankomme, weil ich ausgerechnet an meinem Geburtstag in die Notaufnahme muss. Ich lerne Ärztinnen und Schwestern in der Notaufnahme kennen, die sich sehr freundlich um mich bemühen und mir viele Fragen stellen, um wirklich die Ursache meiner Probleme zu finden.

Habe ich keine genervten Schwestern erlebt? Doch. Habe ich keine unsensiblen und nicht kompetent wirkenden Ärzte erlebt? Natürlich hab’ ich das! Aber mal ehrlich, in welchem Job gibt es keine Menschen, die nicht ganz so kompetent sind?

Und wer von uns ist nicht mal genervt oder unsensibel? Gerade in Situationen, in denen wir total gestresst und übermüdet sind? Und sicher gibt es auch Ärztinnen und Pfleger, die nicht nur im Ausnahmefall unfreundlich und unsensibel sind. Aber wenn wir Menschen nur einmal begegnen und sie nicht von ihrer besten Seite kennenlernen, sollten wir uns noch kein Urteil bilden. Und noch weniger sollten wir alle Menschen, die im medizinischen Bereich arbeiten, über einen Kamm scheren.

Im Gegenteil: ich habe in den allermeisten Fällen positive Erfahrungen gemacht.

Klarstellung

Um das nochmal klarzustellen: Ich möchte hier niemanden verurteilen und ich will auch keine Erfahrungen herunterspielen, die es sicher gab und immer wieder geben wird. Schlimme und demütigende Erlebnisse mit Ärzten, oder Situationen in denen medizinisches Personal mehrfach üble und gravierende Fehler gemacht hat. Diese Erfahrungen gibt es leider. Und das ist auch wirklich furchtbar und zu beklagen! Aber diese Geschichten werden sehr oft weitererzählt und wir vergessen sie auch nicht so schnell.

Allerdings wird meines Erachtens viel zu wenig von den positiven Erlebnissen mit Ärzten und Krankenhäusern berichtet. Und genau das ist mein Anliegen! Spread the love! <3

Mein Plädoyer

Deshalb ist dieser Text auch ein Plädoyer für menschliche Patienten. Für geduldige und freundliche Patientinnen. Ein Plädoyer für Menschen, die Dankbarkeit und Höflichkeit gegenüber ihren helfenden Mitmenschen zeigen und artikulieren. Menschen, die sich bewusst sind, dass in vielen Fällen von negativen Erlebnissen unser Gesundheitssystem an der Misere Schuld ist und nicht die Ärztin und der Arzthelfer, die gerade mit uns kommunizieren.

Gerade in Zeiten von Corona wird viel darüber gesprochen, dass die medizinische und pflegerische Branche mehr Respekt und Wertschätzung braucht. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass es nicht bei diesen Worten bleibt, sondern dass Taten folgen. Und damit sind nicht nur Gehaltserhöhungen gemeint, sondern auch die Wertschätzung und die Schonung der Gesundheit und Kraftressourcen der Mitarbeiter.

Die Laudatio

Und mein Fazit?

Ich bin einfach nur beeindruckt.
Und dankbar!
Ich habe den größten Respekt vor euch allen, die ihr irgendwo im medizinischen oder pflegerischen Bereich arbeitet.
Ich bewundere eure Leidenschaft, eure Motivation, euer Durchhaltevermögen. Eure Hilfsbereitschaft, eure Freundlichkeit.
Ich weiß, dass ihr teilweise fast übermenschliches leistet.
Ich habe gesehen, wie viel von euch gefordert wird und dass ihr alles gebt, um diese Anforderungen mit größtmöglicher Liebe und Genauigkeit auszuführen.

Ich weiß, dass ich diesen Druck, keine Fehler bei der (medizinischen) Arbeit machen zu dürfen, weil sie immer schwerwiegende bis tödliche Folgen haben könnten, nicht aushalten könnte!

Für mich seid ihr Engel. Engel, die doch menschlich sind und vielleicht nicht immer den richtigen Ton treffen. Aber gerade deshalb umso liebenswerter.

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