Ein Herzensprojekt

Das Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution

Im Herbst 2013 hörte ich zum ersten Mal bewusst von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Beziehungsweise hörte ich zum ersten Mal davon, dass auch hier in Deutschland – also direkt vor meiner Haustür – Menschen leben, die nach Deutschland verkauft oder gelockt wurden. Und jetzt arbeiten diese Menschen hier unter menschenunwürdigen Umständen und/oder werden zur Prostitution gezwungen.

Das hat mich hart getroffen und dieses Thema ließ mich nicht mehr los. Ich dachte viel darüber nach, was ich dagegen tun könnte. Ich sprach mit meinen Freundinnen und gestaltete Abende in unserer Jugendarbeit rund um das Thema. Ich suchte nach Informationen und teilte Aufklärungsvideos auf Facebook. Trotzdem hatte ich das Gefühl, doch mehr tun zu wollen… Ich hatte nur keine Ahnung wie!

Die Idee

Ich erinnere mich noch genau, als ich im Januar 2015 ein intensives Gespräch mit meiner Freundin Annett hatte. Annett ist eine sehr talentierte kreative Fotografin, die ein großes Herz für Menschen hat. Wir redeten über die Zukunft, träumten hier und träumten da. Und plötzlich war diese Idee in meinem Kopf. Ich war ganz aufgeregt.

Mir fiel die Situation ein, als meine Freundin Bianca, die Stylistin ist, mich vor ein paar Jahren fragte, ob ich für eine Aktion ihres Salons Model sein möchte. Und nachdem ich mich extrem gern von ihr stylen und schminken lasse, sagte ich natürlich zu. Bianca hat so eine wundervolle Art. Und wenn es um Komplimente geht, findet sie immer die richtigen Worte. Worte, die zu Herzen gehen und durch die man sich im Nachhinein viel schöner und wertvoller fühlt, als vorher. Genauso erging es mir an diesem besagten Tag, als ich Model für sie war. Es entstanden dabei so geile Fotos, die ich bis heute liebe!

Und auf einmal wusste ich, was ich wollte: ich wollte, dass traumatisierte Frauen, die Zwangsprostitution erleben oder erlebt haben (oder auch andere schwerwiegende Erfahrungen in ihrem Leben machen mussten), genauso ein Mut machendes und aufbauendes Styling mit Bianca erleben können. Und dass sie danach wunderschöne Fotos von sich mit nach Hause nehmen können. Fotos, die sie an diesen Tag erinnern und ihnen immer wieder zeigen, wie wertvoll und schön sie sind.

fair shoot wird geboren

Dann ging alles ziemlich schnell. Annett hatte Feuer gefangen für die Idee und wollte natürlich sehr gerne die Fotos machen. Ich rief bei Bianca an und erzählte ihr davon. Und sie flippte schier aus. 🙂 Sowas wollte sie schon immer gern machen – mit dem, was sie kann, anderen zu helfen… Wie geil war das denn!

Wer mich kennt, der weiß, dass ich nichts halbarschig mache. Wenn wir schon so ein Projekt gründen, dann sollte das auch ein richtig gutes Design haben und einen Internetauftritt, der sich sehen lassen kann. Denn wir müssten dieses ehrenamtliche Projekt ja auch bewerben und Spenden dafür einsammeln. Also rief ich noch meine Freundin Luisa an, die perfekter Weise Grafikdesignerin ist (und ganz nebenbei bemerkt auch das Logo für diesen Blog mit mir entworfen hat! <3 ). Luisa war genau wie wir anderen Feuer und Flamme. So vereinbarten wir unser erstes Treffen, um dem ganzen Hand und Fuß zu geben.

Schnell einigten wir uns darauf, dass wir nicht „nur“ bei dem Styling und den Fotos bleiben wollten. Wir wollten diese Fotos dann auch für Kunstausstellungen benutzen, um mehr Menschen zu zeigen, dass es ein großes, nicht sehr bekanntes, Problem gibt: Menschenhandel und Zwangsprostitution. Außerdem hatten wir die Idee, dass wir unsere Shootings nicht „nur“ traumatisierten Frauen anbieten wollten, sondern dass jede Frau gegen eine Spende ein Shooting bei uns bekommen kann, sog. Benefiz-Shootings. Mit diesem Geld könnten wir dann die Shootings für mittellose Frauen finanzieren.

Damit war „fair shoot“ geboren und wir standen in den Startlöchern.

Volle Kraft voraus

Kaum war alles in trockenen Tüchern, legten wir los. Als Erstes starteten wir eine Crowdfunding-Aktion, um etwas Geld für Fotodrucker, Softboxen und ein bisschen Merch zu bekommen. Wir nahmen Kontakt mit Frauenhäusern in der Region auf. Und schon hatten wir die ersten Shootings mit ehemaligen Zwangsprostituierten und mit Frauen, die vergewaltigt wurden, Depressionen haben. Wir machten witzige Verkleidungs-Fotos mit Kindern von Prostituierten, und hatten die ersten Benefiz-Shootings.

Wir waren bewegt von den vielen Geschichten und tiefen Gesprächen. Wir weinten über die Grausamkeit der Welt und lachten, wenn wir gemeinsam durch die Natur schlenderten, Seifenblasen machten, und einfach unglaublich viel Spaß während der Foto-Sessions hatten. Vor allem beim Styling waren wir verschwenderisch mit echten authentischen Komplimenten. Und wir waren immer wieder berührt von der Freude der Ladies, wenn sie sich nach einem wunderschönen Tag überschwänglich bei uns bedankten.

https://www.facebook.com/fairshoot/videos/1834154556901514/

Schon im Herbst 2015 waren wir Teil eines großen Kunstfestivals und gestalteten unseren Ausstellungsbereich zum Sehen, Hören und Anfassen. Mit unglaublich viel Kreativität, Liebe und Zeitaufwand. Wir bauten ein Labyrinth aus Paletten und Ästen, hängten die Ausstellungsfotos an die Äste, nahmen fiktive, aber realistische, Hör-Geschichten von Prostituierten auf und ließen sie immer im Hintergrund laufen. Unterbrochen von dem gesprochenen 1. Paragrafen des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar…“. Wir legten kostenlose Info-Broschüren zum Mitnehmen aus, die über Zwangsprostitution in Deutschland und weltweit aufklärten.

Auch 2016 und 2018 investierten wir viel Zeit in Shootings und abgefahrene Ausstellungen mit Video-Projektionen und (Impro-)Theater. Hin und wieder hielten wir auch Workshops über das Thema Zwangsprostitution. Und immer wieder – bei jedem Shooting – ging unser Herz auf, wenn wir sahen, dass Frauen anfingen zu strahlen und zumindest einen Funken davon verstanden, wie wertvoll und einzigartig sie sind.

Für 2020 hatten wir neue Pläne und Ideen – dann kam Corona. Aber der Tag wird kommen! 😉

Infos rund um das Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel findest du übrigens hier.

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