Der Seiltanz des Lebens

Für mich ist es eine große Herausforderung die richtige Balance zu finden. Die Balance zwischen Erholung und Arbeit, zwischen zu viel sozialen Kontakten und zu wenig Zeit mit Freunden. Die Balance zwischen gesundem Essen (und damit teilweise empfundenen selbstauferlegten „Verboten“) und Genussmomenten. Zwischen ausreichend Sport und genug Regenerationszeiten für den Körper. Zwischen Empathie und Unterstützung für andere Menschen und gesundem Selbstschutz. Zwischen „Ich will die Welt retten“ und Selbstfürsorge. Zwischen Festhalten an und Stehen zu meinen Überzeugungen und Offen und Lernbereit sein gegenüber anderen Meinungen und Weltanschauungen. Zwischen Glauben und Intellekt. Zwischen Selbstbewusstsein und dem Anerkennen meiner Schwächen. Zwischen der Akzeptanz meiner Erkrankung und der Hoffnung auf Besserung und Gesundheit. Zwischen Schulmedizin und ganzheitlicheren Ansätzen. Zwischen zu früh und zu spät zum Arzt zu gehen, wenn man neue Symptome hat. Zwischen Annahme und liebevoller Kritik…

Diese Liste könnte fast ewig weitergehen. Und sie sieht wohl bei jedem Menschen anders aus.
Was fordert euch heraus? In welchen Bereichen fällt es euch schwer eine gute Balance zu finden?

Ich hatte vor ein paar Wochen tatsächlich die Tendenz aufzugeben. Und zwar im Bereich gesunder Ernährung. Seit Mitte des Jahres nehme ich an einem Ernährungskurs teil. Einmal im Monat gibt es Input über verschiedene Lebensmittel, was gesund ist und was lieber vermieden werden sollte. Und das über ein ganzes Jahr hinweg. Ich hab‘ mir gedacht, dass ich vielleicht noch ein bisschen was lernen kann, auch wenn ich mich mit diesem Thema schon intensiv befasst hatte. Außerdem war es ein kostenloses umfangreiches Angebot und ich war einfach gespannt, was in diesem Kurs weitergegeben wird. Nach den ersten 3 Einheiten war es bei mir allerdings soweit, dass ich das Gefühl hatte, nichts mehr Essen zu dürfen, weil alles ungesund ist. Ich wusste zwar eigentlich aus welcher „Überzeugungsrichtung“ die Dozentin kommt und dachte, ich weiß, was auf mich zukommt, war dann aber doch bei einigen Themen überrascht und fand vieles noch deutlich extremer, als ich es in Erinnerung hatte. Und aus dieser Überforderung und vielleicht auch aus Mangel an wirklich alltagstauglichen Tipps, fiel es mir immer schwerer, meine mir bis dahin selbst erarbeitete Ernährungsweise, die ich für mich als gut befunden hatte, weiter aufrecht zu erhalten. Ich hatte einfach das Gefühl, dass vieles meiner Ernährungsweise sehr ungesund ist, hatte aber auch keine Ahnung, wie ich jetzt noch etwas daran ändern könnte, das auch wirklich umsetzbar und mit meinem Budget bezahlbar wäre. Das hat dazu geführt, dass ich immer weniger darauf geachtet hab, was ich esse, weil es ja sowieso egal ist und sowieso alles ungesund ist. Mittlerweile hab ich mir allerdings einfach ein Thema ausgesucht und versuche daran zu arbeiten. Stück für Stück und so, wie es mir möglich ist. 😊

Zurück zur Balance: Als ich im Nachhinein die Fotos von meinem Shooting angeschaut hab, ist mir etwas bewusst geworden: Ich hatte selten die „absolute“ Balance beim Laufen auf der Schiene. Meistens musste ich etwas Gegenlenken, dann wieder zurück, dann war es etwas besser, dann wackelte ich plötzlich wieder so stark, dass ich fast komplett die Balance verloren hab‘ – usw.
In diesem Moment hab ich realisiert, dass es im Leben ganz genauso ist: wir werden selten Momente erleben, in denen wir in all diesen Bereichen die richtige Balance gefunden haben. Wir werden immer mal wieder in die ein oder andere Richtung korrigieren müssen. Gerade auch, weil unser Körper an verschiedenen Tagen verschiedene Bedürfnisse hat, bzw. mit unterschiedlichen Umständen konfrontiert ist. An einem Tag brauchen wir viel Ruhe, am nächsten Tag haben wir mehr Kraft und können wieder Sport machen und einige Aufgaben erledigen. An einem Tag haben wir die Möglichkeit und Zeit uns richtig gut und gesund zu ernähren, an einem anderen Tag ist es schlichtweg nicht möglich.

Deshalb ist es mir wichtig geworden, dass ich mir bewusst mache, dass das normal ist. Dass nicht jeden Tag alles möglich ist. Es ist normal immer wieder ein bisschen zu sehr auf die eine oder andere Seite zu tendieren, bzw vielleicht sogar komplett die Balance zu verlieren. Ich will dann nur nicht aufgeben. Ich will zurück auf die Schiene steigen. Ich will Gedenken wie: „Ich schaffe es ja sowieso nicht, mich gesund zu ernähren, da kann ich auch gleich aufgeben.“, oder auch: „ab jetzt darf es keine einzige Ausnahme mehr geben. Lieber hungere ich bis zum Umfallen, als dass ich nochmal den Fehler begehe, etwas Ungesundes zu essen.“, keinen Raum mehr geben.

Jedes Extrem kann großen Schaden bewirken. Sowohl für mich, als auch für andere. Also will ich nicht mehr verzweifeln, wenn ich es nicht geschafft hab, in Balance zu bleiben. Sondern ich will mir bewusst sein, dass es normal ist und immer mal wieder so sein wird. Kein Grund zum Aufzugeben, sondern nur ein Grund, mal wieder ein bisschen gegenzusteuern, oder wieder neu einzusteigen in den Seiltanz des Lebens. 😊

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht, wenn ihr aus der Balance gekommen seid?
Ich freu mich auf eure Kommentare!

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Morbus Crohn

Eine weitere Diagnose und Herausforderung…

In meinem letzten Artikel hatte ich schon erwähnt, dass im Herbst 2022 neue Untersuchungen anstanden. Wie kam es dazu?

Schon seit vielen Jahren hatte ich immer wieder Bauchkrämpfe. Mal weniger intensiv, mal sehr intensiv, so dass ich mich an manchen Tagen mehrmals aus dem Nichts heraus vor Schmerzen krümmte. So schnell die Schmerzen kamen, so schnell verschwanden sie auch meistens wieder. Aber in Zeiten, in denen sich diese Krämpfe häuften, machte ich mir dann doch Gedanken. Im November 2019, als ich meine Diagnose bekam, berichtete ich den Ärzten schon von diesen Schmerzen. Daraufhin bekam ich eine Magenspiegelung. Es wurde, warum auch immer, immer nur auf die Oberbauchschmerzen eingegangen, obwohl ich mehrmals betonte, dass die Schmerzen nicht nur im Oberbauch zu verorten seien. Allerdings war ich insgeheim auch immer wieder froh, dass nur von einer Magenspiegelung die Rede war und eine Darmspiegelung nie wirklich in Betracht gezogen wurde. Ich hatte schon viel von Darmspiegelungen gehört und der Leidensdruck war wohl noch nicht groß genug, um mich auf so etwas Unangenehmes einzulassen. In meinem Magen war damals alles in Ordnung und ich hatte die Hoffnung, dass mit den Lupus-Medikamenten auch die Bauchschmerzen aufhören würden.

Im März letzten Jahres war es dann aber wieder einmal ziemlich schlimm mit den Krämpfen. Mein Nephrologe überwies mich zu einem Gastroenterlogen und dieser schlug erneut eine Magenspiegelung vor. Auch wenn ich überrascht war, dass nicht gleich eine Magen- und Darmspiegelung gemacht werden sollte, war ich wieder erleichtert an der Darmspiegelung vorbeizukommen. Im Magen war jedoch auch bei dieser Spiegelung alles in Ordnung. In seinem Brief schlug der Gastroenterloge noch weitere Untersuchungen vor, allerdings nicht als dringend empfohlen, sondern eher als Möglichkeiten, sollte es nicht besser werden.

Nachdem ich ein paar Wochen später sowieso bei meiner Hausärztin war, um bestimmte Blutwerte checken zu lassen, erzählte ich auch ihr zum wiederholten Male von meinen Beschwerden. Daraufhin ließ sie zusätzlich die Werte der Bauchspeicheldrüse untersuchen. Relativ bald kam der Anruf, dass meine Bauchspeicheldrüsenwerte nicht in Ordnung wären. Nach Absprache mit meinem Nephrologen, wurde ich zu einem anderen Gastroenterologen geschickt. Dort wurde ein Ultraschall von meiner Bauchspeicheldrüse gemacht. Nachdem hier keine Auffälligkeiten zu sehen waren, meinte der Arzt, dass eine Darmspiegelung gemacht werden sollte. Ich wusste, dass in dieser Praxis grundsätzlich gerne Darmspiegelungen angeordnet werden, aber obwohl ich ahnte, dass eine Darmspiegelung wenig Aufschluss über den Zustand meiner Bauchspeicheldrüse geben würde, willigte ich mit dem Gedanken ein, dass es langsam wirklich höchste Zeit für eine Darmspiegelung wäre.

Jeder, der schon eine Darmspiegelung hinter sich gebracht hat, weiß, dass der unangenehmste Teil der Tag und die Nacht vor dem Eingriff ist. Die Zeit, in der literweise widerliches Abführmittel getrunken werden muss. Die Zeit, in der man ständig zur Toilette rennt. So erging es auch mir. Am Morgen vor dem Eingriff musste ich erneut einige Liter des Gebräus trinken. Ich hatte schon am Tag vorher bemerkt, dass ich enorm gegen Übelkeit zu kämpfen hatte. Aber zu dieser sehr frühen Stunde und obwohl ich alle Ratschläge der Arzt-Praxis gegen Übelkeit befolgte, konnte ich nichts mehr dagegen tun… Das ganze Abführmittel sprudelte aus mir heraus – jedoch leider auf der falschen Seite. Ab diesem Moment hatte ich natürlich unheimlich Schiss, dass die Untersuchung nicht stattfinden können würde, da mein Darm nicht komplett entleert war. Gott sei Dank konnte die Spiegelung dann trotzdem ohne Zwischenfälle und wie geplant stattfinden.

Leicht benebelt erwachte ich im sog. „Aufwachraum“. Als ich etwas klarer denken konnte, zog ich mich an und wurde in den Warteraum geschickt, um auf ein kurzes Arztgespräch zu warten. Als ich dran war, erklärte mir der Arzt, dass sie in meinem Darm 2 Entzündungen gefunden hätten. Eine im Dickdarm und eine im Dünndarm. Solche Entzündungen wären typisch für die Krankheit Morbus Crohn (eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, ebenfalls autoimmun). Für eine feste Diagnose müsse man jedoch erst auf die histologischen Befunde warten.

Die Überraschung war groß, als ich erwähnte, dass mir die Krankheit bekannt sei. Ebenso überrascht war man, als ich nachfragte, ob das auch eine Erklärung für meine erhöhten Bauchspeicheldrüsen-Werte sein könnte. Da hatte man wohl gar nicht mehr dran gedacht. Nein, da gäbe es keinen Zusammenhang. Und als ich daraufhin noch bat, div. Stuhlproben zu nehmen, um einige Krankheitsbilder in Bezug auf die Bauchspeicheldrüse zu checken, wurde nur noch leicht entgeistert zugestimmt. 😉

Ich weiß, dass einige Ärztinnen und Ärzte nicht begeistert sind, wenn ihre Patienten und Patientinnen gut belesen in die Sprechstunde kommen. In meinem Fall hatten sie so etwas aber entweder noch nicht erlebt, oder aber, sie konnten sich nicht erklären, warum mich die (Verdachts-)Diagnose Morbus Crohn so wenig tangierte und ich auf meine Bauchspeicheldrüse pochte.

Naja, und so ganz genau konnte ich mir das auch nicht erklären. Es hatte wohl mehrere Gründe:

  1. Ich hatte damit gerechnet, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
  2. Ich wusste zwar, dass Morbus Crohn eine chronisch entzündliche Darmerkrankung ist, hatte mich aber natürlich noch nicht tiefergehend mit den Details befasst… 😛
  3. Ich dachte mir, dass ich diese Krankheit dann ja schon seit ca 10 Jahren habe, und bisher damit klargekommen bin, also werde ich auch weiterhin damit klarkommen, bzw. würden mir Medikamente vielleicht sogar helfen, weniger Schmerzen zu haben.
  4. Mein Papa hatte eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, als ich 18 war. Am Anfang bestand Verdacht auf Krebs, was sich, Gott sei Dank, nicht bestätigte. Aber meine Bauchspeicheldrüse machte mir doch etwas Sorgen, nachdem ich bei meinem Papa gesehen hatte, wie viel von so einem kleinen Organ abhängt.

Wie ging es weiter? Nach ca. 1,5 Wochen ging es mir plötzlich ziemlich schlecht. Mir wurde bei jeder Bewegung übel und wenn ich aß, bekam ich heftige Krämpfe. Außerdem hatte ich keinen festen Stuhlgang mehr. Dieser unschöne Zustand zog sich über 2 Wochen, bis eine Freundin von mir die Morosche Karottensuppe und ein pflanzliches Medikament mit  Myrrhe empfahl. Ich befolgte ihren Rat und meine Beschwerden verschwanden.

Während dieser harten 2 Wochen hatte ich auch meine Nachbesprechung beim Gastroenterologen bezüglich der histologischen Befunde. Er schaute sich seinen Computer-Bildschirm sehr intensiv an und erklärte mir dann, dass die Befunde kein Ergebnis gebracht hätten. Nachdem ich ihm von meinen Beschwerden erzählte und dass es mir wirklich nicht gut ginge, entgegnete er nur, dass man da nichts machen könne, weil meine Lupus Medikamente sich mit den Medikamenten gegen Morbus Crohn nicht vertragen würden. Er verschrieb mir ein krampflösendes Medikament mit den Worten „vielleicht hilft das ja“, das jedoch leider keinerlei Wirkung zeigte. Außerdem erklärte er, dass ich in 2 Monaten erneut eine Darmspiegelung machen lassen sollte.

Also ging die Prozedur im November von vorne los. Allerdings bekam ich auf eindringliches Bitten hin ein anderes Abführmittel, das ich deutlich besser vertrug, als das erste. Am Untersuchungstag traf ich auf einen neuen Arzt, mittlerweile der dritte in dieser Praxis. Untersuchung und Nachbesprechung zwecks Histologie waren auch schon von zwei verschiedenen Ärzten durchgeführt worden. Dieser Arzt war sehr freundlich, stellte sich mir vor und erklärte mir noch einmal die anstehende Untersuchung. In diesem Fall bekam ich eine Magen- und Darmspiegelung. Als ich aus der Narkose erwachte, hatte ich Schmerzen im Arm. Die Arzthelferin erklärte mir auf meine Nachfrage, dass meine Kanüle nicht richtig gehalten hätte und als sie eine weitere Dosis Narkosemittel hätten spritzen müssen, landete dieses nicht in der Vene, sondern im Arm… Schmerzhaft, aber nicht weiter tragisch.

Deutlich beunruhigender war das Gespräch mit dem Arzt nach der Spiegelung. Seine erste Frage, als ich den Raum betrat war:
„Sind Sie sich sicher, dass Sie noch keine Darm-OP hatten?“
Ich: „Ja!!??“
„Aber das kann ich nicht glauben. Sind Sie sich wirklich ganz sicher?“
„Natürlich. Ich würde es doch wissen, wenn ich eine OP gehabt hätte.“
„Hm. Ich habe ja auch keine Narbe an Ihnen gefunden. Aber ich kann es immer noch nicht glauben. Sie haben so starke Vernarbungen im Darm, die nur mit einer früheren OP zu erklären wären.“
Ich schaute wohl ziemlich hilflos…
„Naja, Sie haben ja Morbus Crohn… und nach den Ergebnissen der heutigen Spiegelung würde ich Ihnen empfehlen sich operieren zu lassen.“
Ich etwas panisch: „Aber ich dachte, bei Morbus Crohn wird nicht operiert?“
„Normalerweise nicht. Aber in bestimmten Situationen ist es ratsam.“
„Aber bisher gibt es eigentlich noch gar keine Bestätigung für die Diagnose. Es ist nur der Verdacht auf Morbus Crohn.“
„Ach so? Na, ich bin mir 100% sicher, dass das Morbus Crohn ist. Und Sie müssen, sobald die histologischen Befunde da sind, mit einer Therapie beginnen. So schnell wie möglich.“
„Aber ich habe ja auch systemischen Lupus. Könnte das nicht auch vom Lupus kommen?“
Kurzes Zögern und Schweigen: „Frau Knoblich, ich würde sagen, Sie sind ein Fall für die Uniklinik.“

Jetzt war es raus. Und ich war ziemlich froh über diese Aussage. Ich war mir einfach nicht sicher, ob die Entzündungen im Darm (mittlerweile war es nur noch eine, diese aber laut Arzt „sehr stark“) wirklich eine neue Diagnose mit sich brachten, oder ob nicht der Lupus wieder zugeschlagen hatte.
Ich wollte, dass interdisziplinär von Lupus-Spezialisten und Morbus Crohn-Spezialisten gecheckt würde, welche Ursache meine Probleme haben.

Wir vereinbarten, dass ich in 2 Wochen einen Termin für die histologische Nachbesprechung bekomme und an diesem Termin alle Befunde und Berichte für mich bereit liegen, so dass ich sie mit zu meinem Nephrologen nehmen kann und dieser dann meinen Besuch in der Uniklinik in die Wege leiten kann.

Wenige Tage nach der Untersuchung fing mein Oberbauch an zu brennen. Ich nutzte alle bewährten Hausmittel und weniger starke Medikamente, um die Schmerzen loszuwerden. Nachdem sie nach 4 Stunden noch nicht weg waren, bekam ich langsam Panik. Die Worte des Arztes hallten mir noch in den Ohren. … „Operation, damit nichts Schlimmeres passiert“ … Puh. Ich wollte nicht in die Notaufnahme. Das will ich nie, wenn ich mir nicht sicher bin, ob irgendetwas wirklich Schlimmes ist. Aber ich bekam immer mehr Angst davor einen Darmverschluss oder Darmdurchbruch zu haben. Schließlich telefonierte ich mit dem Mann meiner Cousine, der Arzt ist. Er erklärte mir, dass im Falle eines Darmverschlusses oder -durchbruchs mein Bauch sehr hart sein müsste. Das war er, Gott sei Dank, nicht. Also, erstmal beruhigen. Und nachdem es nicht besser wurde, einfach ein starkes Schmerzmittel einwerfen, damit ich in dieser Nacht etwas Schlaf abbekommen konnte. Bei meiner Hausärztin stellte sich schließlich heraus, dass die Magenschleimhaut gereizt war. Nach ca. einer Woche konnte ich auch wieder ohne Schmerzen in normaler Position schlafen. Wenigstens ging es mir nicht ganz so lange schlecht, wie nach der ersten Darmspiegelung.

Zurück zum histologischen Befund: Die Nachbesprechung fand nicht bei dem Arzt, der die Untersuchung gemacht hatte, statt. Dieser hatte mir schon in unserem Gespräch erklärt, dass er nur kurzfristig zur Vertretung hier wäre. Mir wurde wieder der Arzt meiner ersten Nachbesprechung zugeteilt. Es lief genauso ab, wie das letzte Mal: langes Schweigen und studieren des Computer Bildschirms. Klick. Klick. „Ja, also, da ist nichts herausgekommen. Aber das ist oft so bei der ersten Spiegelung.“ Ich erwiderte, dass das meine 2. Spiegelung gewesen sei. „Oh.“ Schweigen. Ich erklärte ihm, was sein Kollege mir nach der letzten Spiegelung gesagt hatte. Als ich erwähnte, dass mir eine OP empfohlen worden war, kam die weit interpretierbare Reaktion „Großer Gott!“. Er wusste auch nichts davon, dass mir die Uniklinik empfohlen worden war. Ihn interessierte dann nur, in welche Uniklinik ich wollte und dann schickte er mich zur Anmeldung, um meinen Brief und Befunde abzuholen. Leider wusste auch hier niemand Bescheid, dass ich diese mitnehmen wollte. Und es war auch nicht möglich, sie jetzt auf die Schnelle auszudrucken. Nein, den Brief nur an meine Hausärztin zu schicken, reichte mir nicht, da ich 2 Tage später die Briefe für einen anderen Arzttermin benötigte. Letztlich musste ich zwei Tage später noch einmal extra zu dieser Praxis fahren, um alles abzuholen. Ich bin normalerweise sehr verständnisvoll und weiß auch, dass im medizinischen Bereich alle grundsätzlich überlastet sind. Aber ein bisschen wütend war ich in diesem Fall schon, weil man mich auch noch so behandelte, als ob ich die Schuldige mit übertriebenen Ansprüchen wäre. Das war dann doch ein bisschen zu viel für mich… Naja, immerhin habe ich dadurch gelernt, lieber am Tag vorher noch einmal in der Arztpraxis nachzufragen, um an den Brief zu erinnern, falls man ihn dringend benötigt.

Als ich schließlich bei meinem Nephrologen ankam und ihm den Brief und die Befunde übergab, die ich selbst vorher noch nicht hatte anschauen können, erklärte er mir, dass auf dem histologischen Befund der Morbus Crohn bestätigt wäre. Spätestens ab diesem Moment wusste ich, dass ich in Zukunft eine andere gastroenterologische Praxis benötigen würde.

Um eine lange Geschichte zu einem kurzen Ende zu bringen: da ich kurz nach meiner Diagnose schon einmal in einer Uniklinik war, um eine Zweitmeinung einzuholen, habe ich dort relativ schnell und unkompliziert einen Termin bekommen. Die Aufregung um meine gestiegenen Lupus-Werte legte sich auch wieder, da sich herausstellte, dass es sich um ein falsches Blutwert-Ergebnis handelte.
Deshalb war der Rheumatologe schnell sicher, dass es sich bei mir um keine Lupus Aktivität, sondern tatsächlich um Morbus Crohn handelte. Ich musste keine weitere Darm-Spiegelung über mich ergehen lassen, sondern lediglich ein kurzes Telefonat mit der gastroenterologischen Kollegin reichte, und bekam ich eine neue Therapie-Empfehlung. Ich sollte das MMF (mein Hauptmedikament gegen den Lupus) absetzen und es durch Azathioprin ersetzen. Dieses wird sowohl gegen Lupus, als auch gegen Morbus Crohn eingesetzt.

Ende Januar wurde meine Therapie umgestellt. Seitdem hatte ich auf jeden Fall keine längere Zeit schlimme Krämpfe. Allerdings ist meine Fatigue wieder deutlich schlimmer geworden, genauso wie Muskel- und Gelenkschmerzen. Nachdem aber alle Lupus-Blutwerte trotzdem weiterhin auf keine Lupus Aktivität hindeuten, warten wir noch ein paar Wochen ab, bevor die Therapie eventuell noch einmal umgestellt werden wird.

Leider bin ich bisher noch nicht dazu gekommen, mich intensiv mit dem Thema Morbus Crohn auseinanderzusetzen. Aber ich habe fest vor, auch über diese Krankheit einen „Aufklärungs-Artikel“ in meinem Blog zu schreiben. Ich bitte noch um ein bisschen Geduld. 😉

In diesem Sinne: Bis bald. 😊

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Mein Jahr 2022

Ich habe lange keinen Blog-Artikel veröffentlicht. Anfang letzten Jahres hatte ich 2 Artikel geschrieben, sie allerdings leider nie wirklich finalisiert, geschweige denn gepostet. Und dann, ja dann kam das Leben zurück 😉.

Aber ganz im Ernst: im Januar letzten Jahres hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, nicht mehr gar so vorsichtig sein zu müssen. Zum Einen war jetzt Omikron da und ich dachte „ok, diese Variante scheint wirklich deutlich weniger gefährlich zu sein“ und zum Anderen merkte ich, dass meine Seele langsam einfach wieder Gemeinschaft brauchte. Treffen mit echten Menschen, ohne Bildschirm dazwischen. Umarmungen und Wärme von Freunden. Nicht, dass ich jetzt sofort zu Großveranstaltungen ging, aber Treffen mit Freunden in einem gewissen Rahmen waren für mich, gefühlt, langsam genauso überlebenswichtig, wie die Vorsicht in Bezug auf das böse Virus.

Apropos Großveranstaltungen: ich hatte tatsächlich das Problem, dass in der Woche nach Ostern eine Großveranstaltung stattfinden sollte, auf der wir mit einer meiner Bands eine ganze Woche lang täglich Musik machen sollten. Diese Veranstaltung brachte schon ein mulmiges Gefühl mit sich. Wir hatten die Zusage schon im November 2021 machen müssen und ich hatte wohl gehofft, dass die Lage zu dieser Zeit recht beruhigt sei. Und falls nicht, dass die Veranstaltung doch wieder abgesagt werden müsste. Nun kam diese Woche allerdings immer näher und gefühlt hatten immer mehr Menschen um mich herum Corona – eine Absage blieb allerdings aus. Je näher der Termin kam, umso mulmiger fühlte ich mich. Aber plötzlich hatte das Virus auch mich erwischt. Ganz ohne Großveranstaltung. In diesem Moment war ich tatsächlich gleichzeitig erleichtert und nervös. Zum einen war ich schon VOR der Großveranstaltung krank (und nahm nicht Kamikaze mäßig daran teil). Somit erhoffte ich mir, während dieser Zeit dann immun zu sein, und weder mich noch andere anzustecken. Zum anderen wusste ich aber ja trotzdem nicht, was auf mich zukommen würde, wie stark mich diese Krankheit mitnehmen würde.

Aber Gott sei Dank hatte ich einen wirklich sehr sehr milden Verlauf und fühlte mich nach 2-3 Tagen wieder recht fit. So konnte also die Großveranstaltung kommen und in Bezug auf Corona musste ich mir keine Gedanken mehr machen… Dafür umso mehr in Bezug auf meine Stimme. Das war auch der Grund, weshalb ich in den 2-3 Nächten vor Beginn der Sause schlecht bis gar nicht schlafen konnte. Nachdem ich dachte, meine Stimme müsste ja besonders ausgeruht und ich besonders entspannt sein, um gut singen zu können, entwickelte sich ein böser Teufelskreis.

Dementsprechend war mein erster Tag auf der Bühne überhaupt nicht entspannt. Er endete später sogar in Tränen. Ich musste mir eingestehen, dass es gerade einfach NICHT möglich war Frontfrau zu sein und Hauptstimme zu singen. Ich schämte mich so sehr für meine Stimme, dass ich die restliche Woche unbedingt in der 2. Reihe stehen wollte. An diesem etwas versteckten Platz als Backing Vocal konnte ich dann allerdings etwas durchatmen und so langsam trotzdem Spaß am gemeinsamen Musizieren haben – auch wenn es mir immer wieder das Herz brach.

Nach unserem musikalischen Einsatz kam auch schon DAS Großprojekt des Jahres in riesigen Schritten auf uns zu: Renovierung und Umzug… Die Arbeit an sich kam wie eine große herausfordernde Wand auf mich zu, aber das Visionieren, das Planen, das Gestalten, das Einrichten, etc., das entsprach alles meiner DNA. Ich liebe es Orte und Räume schön zu machen. Farben und Stile abzustimmen, Altes und Neues zu mischen, Unkonventionelles zu wagen und mich am Ende unglaublich wohlzufühlen. Ich brauche ein ästhetisches Zuhause. Außerdem muss es bei mir gemütlich sein. Mein Zuhause soll Geborgenheit und Liebe ausstrahlen. Ich brauche diesen Ort als Rückzugsort, zum Runterkommen und Entspannen. Aber auch jeder Gast, der mich besuchen kommt, soll sich bei mir wohlfühlen und gerne hier verweilen. Ich spreche viel von mir, muss aber betonen, dass Benny und ich nicht nur in diesem Bereich ein Dream-Team sind und uns wunderbar ergänzen. Wenn ich Ideen habe, perfektioniert Benny diese und wenn Benny Ideen hat, werden sie durch meine Akzente zum Sahnehäubchen. Oh man, jetzt aber Schluss mit dem Eigenlob :D. Ich muss nur einfach feststellen, dass ich mich in unserem neuen Zuhause auch zuhause fühle und es meinen Ansprüchen gerecht wird. Soweit der schöne Teil.

Die Renovierungsarbeiten und der Umzug umfassten gute 2 Monate, in denen ich nicht auf meinen Körper hören konnte. Alles, was ich in den letzten 2,5 Jahren mühsam gelernt hatte, wurde nun kurzzeitig wieder über Bord geworfen. Es waren Monate, in denen ich einfach funktionieren musste, weil der straffe Zeitplan mir keine andere Wahl lies. Wenn mein Körper sagte „Ruh dich aus!“, hab‘ ich weiter Tapeten abgekratzt, weiter gestrichen, weiter gepackt, weiter geschleppt, weiter die alte Wohnung geputzt. Und ich hatte wirklich Schiss, wie das Ganze ausgehen würde. Was würde dieser Stress auslösen? Konnte mein Körper das alles einfach so wegstecken?

Nachdem der Umzug vorbei war, war ich einfach unglaublich dankbar. Mein Körper hatte diese viele harte Arbeit tatsächlich geschafft. Ich war nicht zusammengebrochen, nicht krank geworden, hatte keinen „Fatigue-Überfall“ erlebt. Vielleicht konnte mein Körper doch wieder mehr leisten, als ich ihm zutraute?

Die nächste Routine-Untersuchung stand an. Eine Woche später bekam ich die Nachricht, dass sich meine Lupus-Blutwerte verschlechtert hätten und ich meine MMF Dosis wieder erhöhen sollte. Ich war beunruhigt. In Bezug auf die Nieren schien aber alles in Ordnung zu sein. Ich hatte auch keine neuen oder stärkeren Symptome. Hatte mein Körper den Umbau und Umzug doch nicht ganz unbeschadet überstanden?
Zeitgleich gab es eine weitere gesundheitliche Baustelle: meinen Darm. Eine neue Diagnose steht im Raum…

Fortsetzung folgt.

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Rückblick: Das erste Jahr mit Diagnose

Teil 3/3

Leider waren meine „Krankheitsgeschichten“ im Juli noch nicht abgeschlossen. Im Juli und August ging es mir meistens recht gut, und wir genossen u.a. auch eine sehr schöne Wanderung bei uns im Fichtelgebirge. Ende August erlebte ich zum ersten Mal fast eine ganze Woche Fatigue. Das war eine ziemliche Herausforderung. Man ist nicht krank, hat aber tagelang keine Kraft, um irgendetwas nennenswertes zu machen. Ich fragte mich, ob das wieder aufhören würde, ob mein Gesundheitszustand je wieder stabiler werden würde und wie es denn werden würde – in dem Moment, in dem ich gerade wieder anfangen wollte mit dem Arbeiten. Mein erster Arbeitstag lag genau in dieser Fatigue-Woche. Ich überstand den Tag trotzdem relativ gut und war froh, dass ich am ersten Tag erst etwas später kommen sollte. Ich überlegte, ob ich mich so schwach fühlte, weil ich mir in dieser Zeit besonders viele Sorgen über die finanziellen Umstände und über die Zukunft gemacht hatte, wie zB meine Rente usw. Auch wenn man diese Zusammenhänge wohl nie wirklich beweisen kann, ist festzustellen, dass jegliche Art von Stress und Sorgen die Gesundheit negativ beeinträchtigen können. Auch relativ plötzlich.

Nur eine Woche später war die Hochzeit einer lieben Freundin, die wir musikalisch mitgestalteten. Ganz anders als sonst. Ich spielte Klavier und Synthies und sang nur 2. Stimme, so gut es ging. Eine Freundin und mein Bruder übernahmen den Hauptgesang. Ich war extrem aufgeregt (bin ich immer, wenn ich vor Publikum Klavier spiele) und wir übten oft (was ich für solche außergewöhnlichen Konzerte dringend brauche, damit ich mich halbwegs sicher fühle). Aber, Gott sei Dank, hat alles geklappt und wir hatten alle eine sehr schöne Hochzeit. Das Wochenende war recht voll und am Montag ging es gleich weiter. Wir putzten das Ferienhaus meiner Schwiegereltern und übergaben es an die nächsten Mieter, da Bennys Eltern zu der Zeit im Urlaub waren. Am Dienstag arbeitete ich und am Mittwoch früh fühlte ich mich schon sehr schlapp. Ich hatte einen Termin bei meiner Logopädin, den ich natürlich trotzdem wahrnahm und danach waren wir zum Mittagessen bei Bennys Bruder eingeladen. Tja, das Alles war wohl doch etwas viel des Guten gewesen. Am Mittwoch Abend ging es mir richtig schlecht. Ich bekam Fieber. Nicht sehr hoch und auch nicht sehr lang, am nächsten Morgen fühlte ich mich schon etwas besser. Meine Hausärztin war gerade im Urlaub, also schrieb ich mal wieder meinem Nephrologen eine eMail. Er meinte, ich solle erst mal nichts unternehmen, solange das Fieber und/oder die Muskelschmerzen nicht schlimmer würden. Bis zum Wochenende ging es mir deutlich besser und ich dachte, dass ich den Mist diesmal recht schnell überstanden hätte. Mööp. Zu früh gefreut. Am Montag ging es erst so richtig los. Montag Abend knapp 39 Fieber. Benny machte mir Wadenwickel, Stirn kühlen… Nichts half. Das Fieber ging über Stunden nicht weg. Erst mit Tabletten (die ich eigentlich vermeiden wollte), wurde es nach einiger Zeit endlich besser! Deshalb dachte ich, dass ich jetzt wohl wieder ins Krankenhaus muss. Eine Vorstellung, die immer wieder leichte Panik in mir aufkommen lässt. Auch wenn ich nicht ganz genau weiß, warum. Also packte ich am Dienstag früh meine Sachen fürs Krankenhaus zusammen und rief meinen Arzt an. Der meinte aber, dass ich nicht ins Krankenhaus kommen sollte, sondern zu ihm in die Ambulanz zum Blutabnehmen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie glücklich ich war, dass er mich nicht ins Krankenhaus geschickt hat :D! Am Donnerstag bei der Untersuchung erklärte er mir, dass er, soweit möglich, eine stationäre Behandlung bei mir vermeiden möchte, da er Bedenken hätte, dass ich mich im Krankenhaus mit Corona infizieren könnte. Ich war ihm sehr dankbar für seine Offenheit und deshalb umso erleichterter, nicht ins Krankenhaus zu müssen, nachdem meine Blutwerte auf einen normalen Infekt deuteten.

Ganz ehrlich: ich bin extrem dankbar, dass mich dieser Nephrologe behandelt. Ich hatte im letzten Jahr mehrfach das Gefühl, dass Ärzte Angst vor mir oder vor Behandlungen allgemein hatten. Und das nicht nur, wenn ich Corona ähnlicheSymptome hatte. Ich will niemandem einen Vorwurf machen, ich fühle mich selbst ja auch oft ängstlich und von der Situation überfordert. Aber ich möchte hervorheben, dass mein Nephrologe mir immer einen Termin gegeben hat, nie Angst hatte sich anzustecken und mich mal lieber schnell ins Krankenhaus geschickt hat, damit er keinen Aufwand o.ä. mit mir hat. Somit hat er mich im letzten Jahr mehrfach vor einem unnötigen Krankenhaus-Aufenthalt „gerettet“ und mir einige Röntgenstrahlen und Antibiotika-Behandlungen erspart. Das schätze ich enorm.

Aber zurück zum Infekt: den konnte ich tatsächlich mit Geduld aussitzen, ohne weitere Maßnahmen. Nach insgesamt ca. 2 Wochen, fühlte ich mich wieder fit genug zu arbeiten und konnte langsam wieder am normalen Leben teilhaben. Gerade rechtzeitig für Bennys Geburtstag, den wir im engen Freundes- und Familienkreis feierten. Nach der Feier hatte ich allerdings nochmal mit Fatigue zu kämpfen… Und in diesen Tagen war ich seelisch mal wieder ein einem Tiefpunkt angekommen. Es war so schwer damit klar zu kommen, dass ich ständig krank werden könnte. Und dass so ein leichter Infekt, den ich noch bis vor einem Jahr vielleicht gar nicht weiter bemerkt hätte, mich 2 Wochen oder länger flach legen konnte. Und jedes Mal die Angst davor, dass es etwas Schlimmeres werden könnte. Dass ich vielleicht doch ins Krankenhaus muss und weitere böse Diagnosen anstehen…

Auch die Einsicht, dass sich meine Gesundheit immer noch nicht wirklich stabilisiert hatte, machte mir zu schaffen. Und dann kam das Gefühl dazu, dass meine Freunde langsam auch nicht mehr an mich dachten. Oder vielleicht auch einfach mit der Situation überfordert waren, weil das alles kein Ende zu nehmen schien. Ich hatte das Gefühl, dass meine Freunde mich nicht mehr mochten, sich mein Gejammere nicht mehr anhören wollten, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollten. Ich wünschte mir mehr Anrufe, mehr Nachrichten mit ehrlicher Anteilnahme. Benny versuchte ständig mich aufzuheitern und meine Gedanken mit mir differenziert zu betrachten. Ob ich mich jetzt nur so fühlte, weil es mir schlecht ging und ich vielleicht ein besonderes Aufmerksamkeitsbedürfnis hatte, aber ansonsten eigentlich alles normal war – wie immer eben, oder ob da wirklich was dran war an meinen Gefühlen. Ich weiß nicht, ob ich so richtig zu einem Ergebnis kam. Wahrscheinlich war es tatsächlich nicht viel anders als sonst. Allerdings rief mich so ziemlich am Tiefpunkt dieser Phase eine Freundin an, mit der ich zwar sehr gut befreundet bin, wir aber schon immer nur sehr sporadischen Kontakt hatten. Ich hatte sie seit meiner Zeit im Krankenhaus nicht mehr gesehen. Sie fragte mich, ob sie mich spontan besuchen kommen dürfte. Ich sagte natürlich sofort zu und freute mich riesig. Am selben Tag kamen dann spontan auch noch mein Bruder und ein anderer Freund vorbei. Wir hatten eine echt gute Zeit und extrem gute Gespräche. Zwei Tage später fragte ein weiterer Freund, ob er uns mal wieder besuchen könnte. Es war wie Balsam für meine Seele. So viele Besuche, ohne dass man Leute explizit einlädt und für sie kocht oder bäckt, waren sehr ungewöhnlich und bereiteten mir unheimlich viel Freunde. Es war, als ob Gebete oder Wünsche erfüllt wurden, die ich nie konkret ausgesprochen hatte, und ganz sicher hatte ich sie keinem meiner Freunde erzählt. Freunde zur rechten Zeit am rechten Ort können die Welt heller werden lassen und die Bekki fröhlich machen ;).

Wunderschöner Junggesellinnen-Abschied meiner Freundin. <3

Es ging mir also wieder besser, aber trotzdem merkte ich, dass ich wirklich gut aufpassen muss. Einen Tag mal etwas mehr gearbeitet (auch wenn es sich gut anfühlte), und schon konnte es sein, dass ich am Tag darauf oder mehrere Tage kaum etwas machen konnte. Und es wurde tatsächlich etwas komplizierter durch die Tatsache, dass unsere Mitbewohnerin Anfang November auszog. Auf der einen Seite war das für mich zwar eine große Erleichterung, da ich in den letzten Monaten bemerkt hatte, dass ich durch mein vermehrtes Ruhebedürfnis lieber in keiner WG mehr wohnen wollte, um selbst bestimmen zu können, wann andere Menschen mit bei mir Zuhause sind, und wann nicht. Deshalb tat mir die neu gewonnene „Freiheit“ sehr gut. Auf der anderen Seite hatten wir dadurch deutlich mehr Kosten zu tragen, was mir wiederum innerlich Druck machte, so viel wie möglich zu arbeiten. Auch in eine kleinere Wohnung zu ziehen wäre im Moment nicht wirklich eine Option, da ich 1. (noch) keine Kraft dafür hätte und 2. uns diese Wohnung hier sehr gut gefällt und etwas vergleichbares (auch mit weniger qm) würde sogar teurer sein, als unsere jetzige Bleibe. In dieser Spannung zu leben und gleichzeitig seine Kräfte gut einzuteilen und sich nicht zu übernehmen, ist sehr herausfordernd. Trotz allem haben wir es geschafft zu zweit (es war ja schon wieder Lockdown), unser Schlafzimmer umzuziehen und unsere Wohnung umzugestalten. Nach dem Schleppen eines schweren Schranks, musste ich zwar wieder eine Zeit mit Fatigue kämpfen, aber wir haben es geschafft und schlafen nun in einem schönen, geräumigen und viel ruhigeren (weil nicht mehr zur Straßenseite hin gelegenen) Schlafzimmer, das einen begehbaren Kleiderschrank hat :).

Die Adventszeit konnte ich richtig genießen. Irgendwie schaffte ich es, mir nicht so viel Arbeitsdruck zu machen und hatte so eine ruhige Advents- und Weihnachtszeit. Ich dekorierte nach Lust und Laute, besorgte und verpackte Geschenke und das alles fast immer ohne Druck und nur, wenn ich Kraft und Muse dazu hatte. Dazu hat der Lockdown sicherlich auch einen großen Teil beigetragen… Benny und ich saßen abends am Adventskranz, manchmal mit Kinderpunsch ;), zündeten Kerzen und Räucherkerzen an und lasen gemeinsam eine besinnliche und inspirierende Geschichte. Genau so hatte ich es in meiner Kindheit geliebt. Und erst jetzt hatten wir es zum ersten Mal geschafft, diese lieb gewonnen Familientraditionen neu zu beleben.

Ich erinnerte mich an das letzte Jahr, meine Zeit im Krankenhaus, die Diagnose, den Schock, die Angst. Ich telefonierte mit meiner ehemaligen Bettnachbarin aus dem Krankenhaus und war so dankbar diese Zeit dieses Jahr so intensiv und mit relativ wenig Beschwerden genießen zu dürfen.

Hallo 2021 in ganz kleiner Runde und mit Ausgangssperre am Balkon.

Ist das ein Happy End? Jein. Das erste Jahr mit Diagnose hörte gut auf und ich hoffe und bete, dass es so weiter geht, bzw. noch besser wird. Allerdings habe ich trotzdem noch Beschwerden. Ich habe seit Februar 2020 Husten mit Auswurf und keiner weiß, wo er herkommt und ob er wieder geht. Ich habe durch diesen Husten manchmal das Gefühl nicht so ganz gut Luft zu bekommen, was gerade in Corona-Zeiten ein echt beschissenes Symptom ist, weil man schnell Angst bekommt, sich irgendwo angesteckt zu haben. Ich habe manchmal Schmerzen im Brustbereich, manchmal Bauchschmerzen, manchmal Kopfschmerzen, Schwindel, Muskelschmerzen, juckende Pusteln am Körper, Hautpilz an verschiedenen Stellen… Und natürlich muss ich weiterhin meine Kräfte sehr gut einteilen und aufpassen, dass ich mich nicht übernehme. Und keiner kann mir wirklich sagen, wo alle diese Symptome herkommen (abgesehen vom Pilz, der wohl durch die Immunsuppression verursacht ist). Aber es gibt auch viele gute Tage, an denen ich von diesem Symptomen fast nichts merke, oder sie so leicht sind, dass ich recht gut damit klarkomme. Ich bin also noch lange nicht da, wo ich gern wäre, aber ich lerne, mit der Situation klar zu kommen, damit gut umzugehen, und versuche mir meine Freude zu bewahren und dankbar zu sein. Dazu passt, zum Abschluss, perfekt dieses Gedicht, das mir aus der Seele spricht, und das ich euch nicht vorenthalten kann:

Ich übe noch

Jedem Morgen begegnen mit sanftem Mut,
den das Leben braucht, um zu wachsen,
ich übe noch.
In jedem Auge die Seele sehen,
durch alle Masken hindurch und ihr trauen,
ich übe noch.
Hinter allen Ängsten Wahrheiten finden,
mir selber glauben,
ich übe noch.
In tiefem Staunen die Schönheit atmen
des Augenblicks und des Lebens selbst,
ich übe noch.
Durch alle Narben hindurch das Glück spüren,
den Wandel erlauben, immer neu,
ich übe noch.
Sein ohne zu fragen, im Fluss des Lebens
und alles Lebendige zu schützen ohne Wenn und Aber,
ich übe noch.
Den Lebensdank groß werden lassen
und spürbar und bunt, um gehen zu können, jederzeit,
ich übe noch.
Lieben im Pulsschlag der Zeit wider alle Vernunft
mit aller Hingabe,
ich übe noch.

Sabine Rachl (aus Mirjam Schambeck, Elisabeth Wöhrle: Im Innern barfuß. Auf der Suche nach alltagstauglichem Beten.)

Beitragsfoto vom wunderbaren @baer_lukas .

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