Morbus Crohn

Eine weitere Diagnose und Herausforderung…

In meinem letzten Artikel hatte ich schon erwähnt, dass im Herbst 2022 neue Untersuchungen anstanden. Wie kam es dazu?

Schon seit vielen Jahren hatte ich immer wieder Bauchkrämpfe. Mal weniger intensiv, mal sehr intensiv, so dass ich mich an manchen Tagen mehrmals aus dem Nichts heraus vor Schmerzen krümmte. So schnell die Schmerzen kamen, so schnell verschwanden sie auch meistens wieder. Aber in Zeiten, in denen sich diese Krämpfe häuften, machte ich mir dann doch Gedanken. Im November 2019, als ich meine Diagnose bekam, berichtete ich den Ärzten schon von diesen Schmerzen. Daraufhin bekam ich eine Magenspiegelung. Es wurde, warum auch immer, immer nur auf die Oberbauchschmerzen eingegangen, obwohl ich mehrmals betonte, dass die Schmerzen nicht nur im Oberbauch zu verorten seien. Allerdings war ich insgeheim auch immer wieder froh, dass nur von einer Magenspiegelung die Rede war und eine Darmspiegelung nie wirklich in Betracht gezogen wurde. Ich hatte schon viel von Darmspiegelungen gehört und der Leidensdruck war wohl noch nicht groß genug, um mich auf so etwas Unangenehmes einzulassen. In meinem Magen war damals alles in Ordnung und ich hatte die Hoffnung, dass mit den Lupus-Medikamenten auch die Bauchschmerzen aufhören würden.

Im März letzten Jahres war es dann aber wieder einmal ziemlich schlimm mit den Krämpfen. Mein Nephrologe überwies mich zu einem Gastroenterlogen und dieser schlug erneut eine Magenspiegelung vor. Auch wenn ich überrascht war, dass nicht gleich eine Magen- und Darmspiegelung gemacht werden sollte, war ich wieder erleichtert an der Darmspiegelung vorbeizukommen. Im Magen war jedoch auch bei dieser Spiegelung alles in Ordnung. In seinem Brief schlug der Gastroenterloge noch weitere Untersuchungen vor, allerdings nicht als dringend empfohlen, sondern eher als Möglichkeiten, sollte es nicht besser werden.

Nachdem ich ein paar Wochen später sowieso bei meiner Hausärztin war, um bestimmte Blutwerte checken zu lassen, erzählte ich auch ihr zum wiederholten Male von meinen Beschwerden. Daraufhin ließ sie zusätzlich die Werte der Bauchspeicheldrüse untersuchen. Relativ bald kam der Anruf, dass meine Bauchspeicheldrüsenwerte nicht in Ordnung wären. Nach Absprache mit meinem Nephrologen, wurde ich zu einem anderen Gastroenterologen geschickt. Dort wurde ein Ultraschall von meiner Bauchspeicheldrüse gemacht. Nachdem hier keine Auffälligkeiten zu sehen waren, meinte der Arzt, dass eine Darmspiegelung gemacht werden sollte. Ich wusste, dass in dieser Praxis grundsätzlich gerne Darmspiegelungen angeordnet werden, aber obwohl ich ahnte, dass eine Darmspiegelung wenig Aufschluss über den Zustand meiner Bauchspeicheldrüse geben würde, willigte ich mit dem Gedanken ein, dass es langsam wirklich höchste Zeit für eine Darmspiegelung wäre.

Jeder, der schon eine Darmspiegelung hinter sich gebracht hat, weiß, dass der unangenehmste Teil der Tag und die Nacht vor dem Eingriff ist. Die Zeit, in der literweise widerliches Abführmittel getrunken werden muss. Die Zeit, in der man ständig zur Toilette rennt. So erging es auch mir. Am Morgen vor dem Eingriff musste ich erneut einige Liter des Gebräus trinken. Ich hatte schon am Tag vorher bemerkt, dass ich enorm gegen Übelkeit zu kämpfen hatte. Aber zu dieser sehr frühen Stunde und obwohl ich alle Ratschläge der Arzt-Praxis gegen Übelkeit befolgte, konnte ich nichts mehr dagegen tun… Das ganze Abführmittel sprudelte aus mir heraus – jedoch leider auf der falschen Seite. Ab diesem Moment hatte ich natürlich unheimlich Schiss, dass die Untersuchung nicht stattfinden können würde, da mein Darm nicht komplett entleert war. Gott sei Dank konnte die Spiegelung dann trotzdem ohne Zwischenfälle und wie geplant stattfinden.

Leicht benebelt erwachte ich im sog. „Aufwachraum“. Als ich etwas klarer denken konnte, zog ich mich an und wurde in den Warteraum geschickt, um auf ein kurzes Arztgespräch zu warten. Als ich dran war, erklärte mir der Arzt, dass sie in meinem Darm 2 Entzündungen gefunden hätten. Eine im Dickdarm und eine im Dünndarm. Solche Entzündungen wären typisch für die Krankheit Morbus Crohn (eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, ebenfalls autoimmun). Für eine feste Diagnose müsse man jedoch erst auf die histologischen Befunde warten.

Die Überraschung war groß, als ich erwähnte, dass mir die Krankheit bekannt sei. Ebenso überrascht war man, als ich nachfragte, ob das auch eine Erklärung für meine erhöhten Bauchspeicheldrüsen-Werte sein könnte. Da hatte man wohl gar nicht mehr dran gedacht. Nein, da gäbe es keinen Zusammenhang. Und als ich daraufhin noch bat, div. Stuhlproben zu nehmen, um einige Krankheitsbilder in Bezug auf die Bauchspeicheldrüse zu checken, wurde nur noch leicht entgeistert zugestimmt. 😉

Ich weiß, dass einige Ärztinnen und Ärzte nicht begeistert sind, wenn ihre Patienten und Patientinnen gut belesen in die Sprechstunde kommen. In meinem Fall hatten sie so etwas aber entweder noch nicht erlebt, oder aber, sie konnten sich nicht erklären, warum mich die (Verdachts-)Diagnose Morbus Crohn so wenig tangierte und ich auf meine Bauchspeicheldrüse pochte.

Naja, und so ganz genau konnte ich mir das auch nicht erklären. Es hatte wohl mehrere Gründe:

  1. Ich hatte damit gerechnet, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
  2. Ich wusste zwar, dass Morbus Crohn eine chronisch entzündliche Darmerkrankung ist, hatte mich aber natürlich noch nicht tiefergehend mit den Details befasst… 😛
  3. Ich dachte mir, dass ich diese Krankheit dann ja schon seit ca 10 Jahren habe, und bisher damit klargekommen bin, also werde ich auch weiterhin damit klarkommen, bzw. würden mir Medikamente vielleicht sogar helfen, weniger Schmerzen zu haben.
  4. Mein Papa hatte eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, als ich 18 war. Am Anfang bestand Verdacht auf Krebs, was sich, Gott sei Dank, nicht bestätigte. Aber meine Bauchspeicheldrüse machte mir doch etwas Sorgen, nachdem ich bei meinem Papa gesehen hatte, wie viel von so einem kleinen Organ abhängt.

Wie ging es weiter? Nach ca. 1,5 Wochen ging es mir plötzlich ziemlich schlecht. Mir wurde bei jeder Bewegung übel und wenn ich aß, bekam ich heftige Krämpfe. Außerdem hatte ich keinen festen Stuhlgang mehr. Dieser unschöne Zustand zog sich über 2 Wochen, bis eine Freundin von mir die Morosche Karottensuppe und ein pflanzliches Medikament mit  Myrrhe empfahl. Ich befolgte ihren Rat und meine Beschwerden verschwanden.

Während dieser harten 2 Wochen hatte ich auch meine Nachbesprechung beim Gastroenterologen bezüglich der histologischen Befunde. Er schaute sich seinen Computer-Bildschirm sehr intensiv an und erklärte mir dann, dass die Befunde kein Ergebnis gebracht hätten. Nachdem ich ihm von meinen Beschwerden erzählte und dass es mir wirklich nicht gut ginge, entgegnete er nur, dass man da nichts machen könne, weil meine Lupus Medikamente sich mit den Medikamenten gegen Morbus Crohn nicht vertragen würden. Er verschrieb mir ein krampflösendes Medikament mit den Worten „vielleicht hilft das ja“, das jedoch leider keinerlei Wirkung zeigte. Außerdem erklärte er, dass ich in 2 Monaten erneut eine Darmspiegelung machen lassen sollte.

Also ging die Prozedur im November von vorne los. Allerdings bekam ich auf eindringliches Bitten hin ein anderes Abführmittel, das ich deutlich besser vertrug, als das erste. Am Untersuchungstag traf ich auf einen neuen Arzt, mittlerweile der dritte in dieser Praxis. Untersuchung und Nachbesprechung zwecks Histologie waren auch schon von zwei verschiedenen Ärzten durchgeführt worden. Dieser Arzt war sehr freundlich, stellte sich mir vor und erklärte mir noch einmal die anstehende Untersuchung. In diesem Fall bekam ich eine Magen- und Darmspiegelung. Als ich aus der Narkose erwachte, hatte ich Schmerzen im Arm. Die Arzthelferin erklärte mir auf meine Nachfrage, dass meine Kanüle nicht richtig gehalten hätte und als sie eine weitere Dosis Narkosemittel hätten spritzen müssen, landete dieses nicht in der Vene, sondern im Arm… Schmerzhaft, aber nicht weiter tragisch.

Deutlich beunruhigender war das Gespräch mit dem Arzt nach der Spiegelung. Seine erste Frage, als ich den Raum betrat war:
„Sind Sie sich sicher, dass Sie noch keine Darm-OP hatten?“
Ich: „Ja!!??“
„Aber das kann ich nicht glauben. Sind Sie sich wirklich ganz sicher?“
„Natürlich. Ich würde es doch wissen, wenn ich eine OP gehabt hätte.“
„Hm. Ich habe ja auch keine Narbe an Ihnen gefunden. Aber ich kann es immer noch nicht glauben. Sie haben so starke Vernarbungen im Darm, die nur mit einer früheren OP zu erklären wären.“
Ich schaute wohl ziemlich hilflos…
„Naja, Sie haben ja Morbus Crohn… und nach den Ergebnissen der heutigen Spiegelung würde ich Ihnen empfehlen sich operieren zu lassen.“
Ich etwas panisch: „Aber ich dachte, bei Morbus Crohn wird nicht operiert?“
„Normalerweise nicht. Aber in bestimmten Situationen ist es ratsam.“
„Aber bisher gibt es eigentlich noch gar keine Bestätigung für die Diagnose. Es ist nur der Verdacht auf Morbus Crohn.“
„Ach so? Na, ich bin mir 100% sicher, dass das Morbus Crohn ist. Und Sie müssen, sobald die histologischen Befunde da sind, mit einer Therapie beginnen. So schnell wie möglich.“
„Aber ich habe ja auch systemischen Lupus. Könnte das nicht auch vom Lupus kommen?“
Kurzes Zögern und Schweigen: „Frau Knoblich, ich würde sagen, Sie sind ein Fall für die Uniklinik.“

Jetzt war es raus. Und ich war ziemlich froh über diese Aussage. Ich war mir einfach nicht sicher, ob die Entzündungen im Darm (mittlerweile war es nur noch eine, diese aber laut Arzt „sehr stark“) wirklich eine neue Diagnose mit sich brachten, oder ob nicht der Lupus wieder zugeschlagen hatte.
Ich wollte, dass interdisziplinär von Lupus-Spezialisten und Morbus Crohn-Spezialisten gecheckt würde, welche Ursache meine Probleme haben.

Wir vereinbarten, dass ich in 2 Wochen einen Termin für die histologische Nachbesprechung bekomme und an diesem Termin alle Befunde und Berichte für mich bereit liegen, so dass ich sie mit zu meinem Nephrologen nehmen kann und dieser dann meinen Besuch in der Uniklinik in die Wege leiten kann.

Wenige Tage nach der Untersuchung fing mein Oberbauch an zu brennen. Ich nutzte alle bewährten Hausmittel und weniger starke Medikamente, um die Schmerzen loszuwerden. Nachdem sie nach 4 Stunden noch nicht weg waren, bekam ich langsam Panik. Die Worte des Arztes hallten mir noch in den Ohren. … „Operation, damit nichts Schlimmeres passiert“ … Puh. Ich wollte nicht in die Notaufnahme. Das will ich nie, wenn ich mir nicht sicher bin, ob irgendetwas wirklich Schlimmes ist. Aber ich bekam immer mehr Angst davor einen Darmverschluss oder Darmdurchbruch zu haben. Schließlich telefonierte ich mit dem Mann meiner Cousine, der Arzt ist. Er erklärte mir, dass im Falle eines Darmverschlusses oder -durchbruchs mein Bauch sehr hart sein müsste. Das war er, Gott sei Dank, nicht. Also, erstmal beruhigen. Und nachdem es nicht besser wurde, einfach ein starkes Schmerzmittel einwerfen, damit ich in dieser Nacht etwas Schlaf abbekommen konnte. Bei meiner Hausärztin stellte sich schließlich heraus, dass die Magenschleimhaut gereizt war. Nach ca. einer Woche konnte ich auch wieder ohne Schmerzen in normaler Position schlafen. Wenigstens ging es mir nicht ganz so lange schlecht, wie nach der ersten Darmspiegelung.

Zurück zum histologischen Befund: Die Nachbesprechung fand nicht bei dem Arzt, der die Untersuchung gemacht hatte, statt. Dieser hatte mir schon in unserem Gespräch erklärt, dass er nur kurzfristig zur Vertretung hier wäre. Mir wurde wieder der Arzt meiner ersten Nachbesprechung zugeteilt. Es lief genauso ab, wie das letzte Mal: langes Schweigen und studieren des Computer Bildschirms. Klick. Klick. „Ja, also, da ist nichts herausgekommen. Aber das ist oft so bei der ersten Spiegelung.“ Ich erwiderte, dass das meine 2. Spiegelung gewesen sei. „Oh.“ Schweigen. Ich erklärte ihm, was sein Kollege mir nach der letzten Spiegelung gesagt hatte. Als ich erwähnte, dass mir eine OP empfohlen worden war, kam die weit interpretierbare Reaktion „Großer Gott!“. Er wusste auch nichts davon, dass mir die Uniklinik empfohlen worden war. Ihn interessierte dann nur, in welche Uniklinik ich wollte und dann schickte er mich zur Anmeldung, um meinen Brief und Befunde abzuholen. Leider wusste auch hier niemand Bescheid, dass ich diese mitnehmen wollte. Und es war auch nicht möglich, sie jetzt auf die Schnelle auszudrucken. Nein, den Brief nur an meine Hausärztin zu schicken, reichte mir nicht, da ich 2 Tage später die Briefe für einen anderen Arzttermin benötigte. Letztlich musste ich zwei Tage später noch einmal extra zu dieser Praxis fahren, um alles abzuholen. Ich bin normalerweise sehr verständnisvoll und weiß auch, dass im medizinischen Bereich alle grundsätzlich überlastet sind. Aber ein bisschen wütend war ich in diesem Fall schon, weil man mich auch noch so behandelte, als ob ich die Schuldige mit übertriebenen Ansprüchen wäre. Das war dann doch ein bisschen zu viel für mich… Naja, immerhin habe ich dadurch gelernt, lieber am Tag vorher noch einmal in der Arztpraxis nachzufragen, um an den Brief zu erinnern, falls man ihn dringend benötigt.

Als ich schließlich bei meinem Nephrologen ankam und ihm den Brief und die Befunde übergab, die ich selbst vorher noch nicht hatte anschauen können, erklärte er mir, dass auf dem histologischen Befund der Morbus Crohn bestätigt wäre. Spätestens ab diesem Moment wusste ich, dass ich in Zukunft eine andere gastroenterologische Praxis benötigen würde.

Um eine lange Geschichte zu einem kurzen Ende zu bringen: da ich kurz nach meiner Diagnose schon einmal in einer Uniklinik war, um eine Zweitmeinung einzuholen, habe ich dort relativ schnell und unkompliziert einen Termin bekommen. Die Aufregung um meine gestiegenen Lupus-Werte legte sich auch wieder, da sich herausstellte, dass es sich um ein falsches Blutwert-Ergebnis handelte.
Deshalb war der Rheumatologe schnell sicher, dass es sich bei mir um keine Lupus Aktivität, sondern tatsächlich um Morbus Crohn handelte. Ich musste keine weitere Darm-Spiegelung über mich ergehen lassen, sondern lediglich ein kurzes Telefonat mit der gastroenterologischen Kollegin reichte, und bekam ich eine neue Therapie-Empfehlung. Ich sollte das MMF (mein Hauptmedikament gegen den Lupus) absetzen und es durch Azathioprin ersetzen. Dieses wird sowohl gegen Lupus, als auch gegen Morbus Crohn eingesetzt.

Ende Januar wurde meine Therapie umgestellt. Seitdem hatte ich auf jeden Fall keine längere Zeit schlimme Krämpfe. Allerdings ist meine Fatigue wieder deutlich schlimmer geworden, genauso wie Muskel- und Gelenkschmerzen. Nachdem aber alle Lupus-Blutwerte trotzdem weiterhin auf keine Lupus Aktivität hindeuten, warten wir noch ein paar Wochen ab, bevor die Therapie eventuell noch einmal umgestellt werden wird.

Leider bin ich bisher noch nicht dazu gekommen, mich intensiv mit dem Thema Morbus Crohn auseinanderzusetzen. Aber ich habe fest vor, auch über diese Krankheit einen „Aufklärungs-Artikel“ in meinem Blog zu schreiben. Ich bitte noch um ein bisschen Geduld. 😉

In diesem Sinne: Bis bald. 😊

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Mein Jahr 2022

Ich habe lange keinen Blog-Artikel veröffentlicht. Anfang letzten Jahres hatte ich 2 Artikel geschrieben, sie allerdings leider nie wirklich finalisiert, geschweige denn gepostet. Und dann, ja dann kam das Leben zurück 😉.

Aber ganz im Ernst: im Januar letzten Jahres hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, nicht mehr gar so vorsichtig sein zu müssen. Zum Einen war jetzt Omikron da und ich dachte „ok, diese Variante scheint wirklich deutlich weniger gefährlich zu sein“ und zum Anderen merkte ich, dass meine Seele langsam einfach wieder Gemeinschaft brauchte. Treffen mit echten Menschen, ohne Bildschirm dazwischen. Umarmungen und Wärme von Freunden. Nicht, dass ich jetzt sofort zu Großveranstaltungen ging, aber Treffen mit Freunden in einem gewissen Rahmen waren für mich, gefühlt, langsam genauso überlebenswichtig, wie die Vorsicht in Bezug auf das böse Virus.

Apropos Großveranstaltungen: ich hatte tatsächlich das Problem, dass in der Woche nach Ostern eine Großveranstaltung stattfinden sollte, auf der wir mit einer meiner Bands eine ganze Woche lang täglich Musik machen sollten. Diese Veranstaltung brachte schon ein mulmiges Gefühl mit sich. Wir hatten die Zusage schon im November 2021 machen müssen und ich hatte wohl gehofft, dass die Lage zu dieser Zeit recht beruhigt sei. Und falls nicht, dass die Veranstaltung doch wieder abgesagt werden müsste. Nun kam diese Woche allerdings immer näher und gefühlt hatten immer mehr Menschen um mich herum Corona – eine Absage blieb allerdings aus. Je näher der Termin kam, umso mulmiger fühlte ich mich. Aber plötzlich hatte das Virus auch mich erwischt. Ganz ohne Großveranstaltung. In diesem Moment war ich tatsächlich gleichzeitig erleichtert und nervös. Zum einen war ich schon VOR der Großveranstaltung krank (und nahm nicht Kamikaze mäßig daran teil). Somit erhoffte ich mir, während dieser Zeit dann immun zu sein, und weder mich noch andere anzustecken. Zum anderen wusste ich aber ja trotzdem nicht, was auf mich zukommen würde, wie stark mich diese Krankheit mitnehmen würde.

Aber Gott sei Dank hatte ich einen wirklich sehr sehr milden Verlauf und fühlte mich nach 2-3 Tagen wieder recht fit. So konnte also die Großveranstaltung kommen und in Bezug auf Corona musste ich mir keine Gedanken mehr machen… Dafür umso mehr in Bezug auf meine Stimme. Das war auch der Grund, weshalb ich in den 2-3 Nächten vor Beginn der Sause schlecht bis gar nicht schlafen konnte. Nachdem ich dachte, meine Stimme müsste ja besonders ausgeruht und ich besonders entspannt sein, um gut singen zu können, entwickelte sich ein böser Teufelskreis.

Dementsprechend war mein erster Tag auf der Bühne überhaupt nicht entspannt. Er endete später sogar in Tränen. Ich musste mir eingestehen, dass es gerade einfach NICHT möglich war Frontfrau zu sein und Hauptstimme zu singen. Ich schämte mich so sehr für meine Stimme, dass ich die restliche Woche unbedingt in der 2. Reihe stehen wollte. An diesem etwas versteckten Platz als Backing Vocal konnte ich dann allerdings etwas durchatmen und so langsam trotzdem Spaß am gemeinsamen Musizieren haben – auch wenn es mir immer wieder das Herz brach.

Nach unserem musikalischen Einsatz kam auch schon DAS Großprojekt des Jahres in riesigen Schritten auf uns zu: Renovierung und Umzug… Die Arbeit an sich kam wie eine große herausfordernde Wand auf mich zu, aber das Visionieren, das Planen, das Gestalten, das Einrichten, etc., das entsprach alles meiner DNA. Ich liebe es Orte und Räume schön zu machen. Farben und Stile abzustimmen, Altes und Neues zu mischen, Unkonventionelles zu wagen und mich am Ende unglaublich wohlzufühlen. Ich brauche ein ästhetisches Zuhause. Außerdem muss es bei mir gemütlich sein. Mein Zuhause soll Geborgenheit und Liebe ausstrahlen. Ich brauche diesen Ort als Rückzugsort, zum Runterkommen und Entspannen. Aber auch jeder Gast, der mich besuchen kommt, soll sich bei mir wohlfühlen und gerne hier verweilen. Ich spreche viel von mir, muss aber betonen, dass Benny und ich nicht nur in diesem Bereich ein Dream-Team sind und uns wunderbar ergänzen. Wenn ich Ideen habe, perfektioniert Benny diese und wenn Benny Ideen hat, werden sie durch meine Akzente zum Sahnehäubchen. Oh man, jetzt aber Schluss mit dem Eigenlob :D. Ich muss nur einfach feststellen, dass ich mich in unserem neuen Zuhause auch zuhause fühle und es meinen Ansprüchen gerecht wird. Soweit der schöne Teil.

Die Renovierungsarbeiten und der Umzug umfassten gute 2 Monate, in denen ich nicht auf meinen Körper hören konnte. Alles, was ich in den letzten 2,5 Jahren mühsam gelernt hatte, wurde nun kurzzeitig wieder über Bord geworfen. Es waren Monate, in denen ich einfach funktionieren musste, weil der straffe Zeitplan mir keine andere Wahl lies. Wenn mein Körper sagte „Ruh dich aus!“, hab‘ ich weiter Tapeten abgekratzt, weiter gestrichen, weiter gepackt, weiter geschleppt, weiter die alte Wohnung geputzt. Und ich hatte wirklich Schiss, wie das Ganze ausgehen würde. Was würde dieser Stress auslösen? Konnte mein Körper das alles einfach so wegstecken?

Nachdem der Umzug vorbei war, war ich einfach unglaublich dankbar. Mein Körper hatte diese viele harte Arbeit tatsächlich geschafft. Ich war nicht zusammengebrochen, nicht krank geworden, hatte keinen „Fatigue-Überfall“ erlebt. Vielleicht konnte mein Körper doch wieder mehr leisten, als ich ihm zutraute?

Die nächste Routine-Untersuchung stand an. Eine Woche später bekam ich die Nachricht, dass sich meine Lupus-Blutwerte verschlechtert hätten und ich meine MMF Dosis wieder erhöhen sollte. Ich war beunruhigt. In Bezug auf die Nieren schien aber alles in Ordnung zu sein. Ich hatte auch keine neuen oder stärkeren Symptome. Hatte mein Körper den Umbau und Umzug doch nicht ganz unbeschadet überstanden?
Zeitgleich gab es eine weitere gesundheitliche Baustelle: meinen Darm. Eine neue Diagnose steht im Raum…

Fortsetzung folgt.

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Inklusion in Freundschaften

„Geht es dir wieder gut?“
Oder wie ich chronisch Kranke (und andere Leidende) unterstützen kann.

Hast du dich schon einmal überfordert gefühlt, weil eine wichtige Person in deinem Leben plötzlich eine unheilbare Krankheit diagnostiziert bekommen hat, oder einen geliebten Menschen verloren hat? Wie gehe ich mit so einer Situation um? Was sage ich? Wie kann ich helfen? Und zwar am Besten ohne diese Person zu verletzen? Wie kann ich vermitteln, dass ich für sie da sein will? …

Alles schwierige Fragen, die total berechtigt sind und die wahrscheinlich jeder Mensch, dem es gerade schlecht geht und den man fragen würde, unterschiedlich beantworten würde.
Trotzdem glaube ich, dass es es ein paar grundsätzliche Tipps gibt, die ich in diesem Beitrag gerne ansprechen will.

Ich erinnere mich an meine erste Zeit im Krankenhaus und an die Monate danach. In den ersten Wochen gab es unglaublich viel Anteilnahme von allen Freund*innen und Bekannten. Ich bekam sehr viel Besuch und unzählig viele Geschenke und Karten, liebe Worte, Nachrichten und Anrufe. Das Alles hat mir natürlich richtig gut getan und mir durch die Zeit im Krankenhaus geholfen.
Dann wurde ich entlassen und ich erwartete selbst, dass es mir innerhalb weniger Wochen wieder gut gehen würde – die Medikamente würden bestimmt helfen und dann würde es mir bald wieder richtig gut gehen. Die Symptome, die ich seit Jahren hatte, hatten ja jetzt endlich eine Ursache und sollten mit der Wirkung der Medikamente verschwinden.
Weiterhin fragten viele meiner Freunde regelmäßig nach, wie es mir ginge. Anfangs war es ein Auf und Ab, aber wir warteten alle auf den Moment, an dem meine Antwort endlich „sehr gut“ sein würde. Je länger sich dieser Moment hinauszögerte und je mehr ich selbst realisierte, dass eventuell doch nicht so schnell „alles wieder gut“ sein würde, desto weniger wurde ich auch nach meinem Wohlergehen gefragt. Das ist ganz natürlich! Je länger etwas geht und je weniger es Aussicht auf Verbesserung gibt, desto weniger wissen wir, wie wir positiv reagieren können, wie wir Hoffnung vermitteln sollen und was wir überhaupt sagen sollen.

Und bitte versteht das jetzt nicht falsch: ich bin wirklich niemandem böse! Ich weiß selbst, wie unsicher ich mich in solchen Situationen gefühlt habe. Als der große Bruder einer meiner besten Freundinnen tödlich verunglückte, war ich total überfordert. Ich wollte für sie da sein, war aber genau in dieser Zeit mit meiner Band unterwegs. Deshalb versuchte ich sie regelmäßig anzurufen, um ihr zu zeigen, dass sie mir wichtig ist. Ich wusste aber nicht, was ich sagen sollte, wie ich ihr Kraft und Hoffnung und Trost geben sollte. Und durch das beschissene Telefon konnte ich sie ja auch nicht einfach in den Arm nehmen! Ich hab keine Ahnung mehr, was ich damals gestammelt hab. Ich hab keine Ahnung, ob ich nicht ganz viel dummes Zeug gesagt hab, und ihr am Ende mehr geschadet hab, als ihr zu helfen… Ich weiß eigentlich nur, dass es mein großer Wunsch war, dass es ihr ganz bald wieder gut geht. Oder zumindest besser. Aber vielleicht war genau das auch ein Problem! Trauernde brauchen Zeit zum Trauern, zum Weinen und traurig sein. Und zwar genug Zeit – so viel Zeit, wie sie benötigen.

In dieser Hinsicht geht es chronisch Kranken und Trauernden vielleicht ähnlich. Chronisch Kranke trauern nämlich in gewisser Weise auch: um ihre Gesundheit. Und vielleicht um das Leben, das sie nicht mehr so weiterführen können, wie bisher. Auch sie benötigen Zeit, um das zu realisieren, sacken zu lassen und damit klar zu kommen. Und natürlich wünscht sich jeder, wünschen wir uns alle, dass es unseren Lieben so bald wie möglich wieder gut geht. Das ist auch gut so! Aber es ist auch wichtig zu vermitteln, dass es ok ist, wenn es der betroffenen Person nicht gut geht. Auch wenn es ihr wirklich lange nicht gut geht!

Und damit soll es auch endlich konkret werden. Hier ein paar Punkte, die bei einer Freundschaft mit chronisch Kranken helfen können:

  1. Die Bereitschaft für diese Person da zu sein
    Diese Bereitschaft kannst du nur vermitteln, indem du in Verbindung bleibst! Zum Beispiel, indem du anrufst oder dich auf eine andere Art und Weise meldest und immer wieder Anteil und Interesse zeigst. Es ist also natürlich extrem kontraproduktiv, sich zurückzuziehen und sich nicht mehr zu melden, auch wenn du dich überfordert fühlst, oder Angst hast jemanden zu verletzen. Denn ich glaube, dass Freund*innen, die in irgendeiner Weise leiden, gern mal Fehler und Tritte ins Fettnäpfchen verzeihen, gerade wenn sie merken, dass sie dir wirklich wichtig sind. Ich bin mir sicher, dass das auch dann der Fall ist, wenn sie sich durch eine Aussage von dir sehr verletzt fühlen. In diesem Fall unbedingt Punkt 2 beachten:
     
  2. Redet offen miteinander
    Wie in jeder anderen Beziehung ist es wichtig, offen miteinander zu reden. So kannst du in Situationen, in denen du einfach nicht weißt, was du sagen oder machen sollst, ganz ehrlich gestehen: „Ich weiß jetzt überhaupt nicht, was ich dazu sagen soll. Wie ich dich vielleicht trösten könnte.“ Dieser Satz kann sogar das Beste sein, was du sagen kannst! Vielleicht weiß die leidende Person in diesem Moment selbst nicht, was sie sagen soll oder von dieser Situation halten soll und fühlt sich damit verstanden.
    Oder frage nach: „Was wünschst du dir jetzt? Gibt es irgendetwas, womit ich dir helfen kann, oder dir eine Freude machen kann?“
    Außerdem ist es wichtig, dass du offen dafür bist, dass Betroffene dir sagen dürfen, inwieweit deine Aussagen oder Handlungen verletzend waren.
    Auf der anderen Seite musst du auch acht auf dich selbst geben! Gerade Menschen, die ein feines Gespür dafür haben, wie es anderen geht, und welche Bedürfnisse sie haben, können schnell in einen Sog der „aufopfernden Bezugsperson“ kommen. Das führt oft dazu, dass man das Gefühl hat für die betroffene Person verantwortlich zu sein, weil es der ja so schlecht geht, und man alles tun muss, um ihr zu helfen. In diesem Eifer gibt man alles für den mir wichtigen Menschen, ohne eigne Grenzen und Bedürfnisse zu beachten und zu respektieren. Solche Situationen führen dann leider oft zum (jähen und umso schmerzhafteren) Ende der Freundschaft, wenn der/die aufopfernde Freund*in die Last irgendwann nicht mehr tragen kann. Es ist also wichtig zu kommunizieren, wenn dir etwas zu viel wird, wenn du Zeit für dich brauchst, wenn du irgendwelche Wünsche nicht erfüllen kannst oder Hilfen nicht leisten kannst.
    Wir sind alle Menschen, die Fehler machen und Bedürfnisse und Grenzen haben. Gerade deshalb ist es wichtig, genau darüber zu reden, Verständnis zu zeigen und gnädig mit anderen und sich selbst zu sein!
     
  3. Zuhören und Mitgefühl zeigen, anstatt Tipps zu geben
    Wenn dir die betroffene Person ihr Leid klagt, braucht sie in den wenigsten Fällen Tipps, wie man dieses Leid lindern könnte. Wenn dir also jemand erzählt, dass er oder sie Rückenschmerzen hat, will die Person höchstwahrscheinlich nicht hören, ob sie schon probiert habe, ihre Rückenmuskulatur zu stärken o.ä.. Meistens wurde schon alles (Un-)Mögliche versucht, um das Leid zu lindern.
    Gerade in frommen Kreisen wird gerne gefragt, ob man schon gebetet hätte und daraufhin doch bestimmt eine Besserung eingetreten sein müsste. So nett diese Fragen auch gemeint sind, würde ich dringend raten darauf zu verzichten, da sie eher ein Gefühl von Versagen vermitteln, als hilfreich zu sein. Was natürlich nicht heißt, dass du deine Freund*innen nicht in deine Gebete einschließen darf!
    Dann gibt es allerdings noch die Menschen (zu denen ich auch gehöre), die aufpassen müssen, dass sie das Leid von Freunden nicht zu ihrem eigenen Leid machen. Natürlich dürfen und sollen wir Mitgefühl zeigen und Leidende auf ihrem Weg unterstützen. Aber wenn man dann so sehr unter der Situation leidet, als ob man selbst betroffen wäre, geht das eindeutig zu weit! In diesem Fall kann man auch keine Hilfe mehr sein. Wenn du also sehr sensibel bist und mit anderen tief mitfühlst, musst du dringend auf deine Seele achten, die eigenen emotionalen Grenzen akzeptieren, und aufpassen, dass du dich nicht zu sehr mit den Gefühlen der kranken Person identifizierst.
     
  4. „Willst du darüber sprechen, wie es dir geht?“
    An manchen Tagen sind chronisch Kranke einfach überfordert. Überfordert von irgendwelchen Symptomen, von diffusen Gefühlen, oder sie haben schlicht keine Kraft darüber zu sprechen, wie es ihnen geht. Deshalb ist es oft besser zu fragen, ob die Betroffenen überhaupt über ihr Befinden sprechen wollen, oder in diesem Moment eher nicht. Falls sie das nicht wollen, ist es vielleicht eine gute Idee, sich ein „Ablenkungsmanöver“ zu überlegen. Wobei wir beim nächsten Punkt wären:
     
  5. Miteinander Lachen
    Manchmal ist die beste und schönste Hilfe für einen Menschen von seinen Sorgen, Ängsten oder Schmerzen abgelenkt zu werden. Dafür gibt es natürlich viele Möglichkeiten: zusammen einen lustigen Film schauen, an frühere lustige und schöne Momente denken (zB indem man gemeinsam Fotos anschaut), irgendwas verrücktes Neues ausprobieren, Pyjama Party, Beauty Night mit Gesichtsmasken, gegenseitige Massagen, Nägel lackieren… (Keine Ahnung, was das männliche Pendant dazu wäre ;)). Oder auch gemeinsam Pizza bestellen, zu einem Whiskey-Tasting gehen (falls Alkohol ok ist), oder selber eines machen, bzw. wahrscheinlich gibt es mittlerweile auch irgendwelche virtuellen Tastings :). Eine weitere Möglichkeit wäre ein schöner Ausflug, falls das kräftemäßig drin ist, bzw. zu versuchen den Ausflug so zu organsieren (mit Rollstuhl o.ä.), dass die kranke Person ohne große Anstrengung daran teilhaben kann. Mit etwas Kreativität kann man auf viele gute Ideen kommen.
    Ich muss hier allerdings anmerken, dass du dir immer bewusst sein musst, dass Verabredungen oder Ausflüge schnell zu viel und zu anstrengend für chronisch Kranke werden können. Das bedeutet, dass es wichtig ist, flexibel zu sein, auch wenn man einen schönen Ausflug aufwendig geplant hat, ihn auf einen späteren Termin verschieben zu können. Somit wissen die Betroffenen, dass es nicht schlimm wäre, falls es am vereinbarten Termin dann doch nicht klappen sollte, weil es ihnen einfach zu schlecht geht. Alternativ könnte man dann einfach leckeres Essen bestellen und einen gemütlichen Abend Zuhause verbringen, oder (je nachdem, wie es um die Person steht) telefonieren, oder einfach ein gutes Essen vorbei bringen und einen warmen Tee o.ä. ans Bett oder Sofa stellen, was eine besonders große Hilfe ist, wenn die Betroffenen allein leben.
Gemeinsame verrückte Aktionen sind wie Schätze! Dieses Erlebnis mit „meinen Ladies“ zaubert mir auch nach über 10 Jahren noch ein Lächeln ins Gesicht.

Das waren jetzt viele Gedanken und Anregungen und ich hoffe, dass du dich nicht überfordert fühlst, sondern neue Motivation bekommen hast, deine Freundschaften mit Kranken oder Trauernden zu pflegen.
Meine Anregungen sollen keine Angst machen, sondern Tipps und Hilfen sein, gerade in Situationen, ich denen du vielleicht gerade nicht weißt, was du tun sollst.

Um es noch einmal zu betonen: am wichtigsten ist es, dich zu melden und Kontakt zu halten und offen und ehrlich miteinander zu reden. Dann muss man auch keine Angst davor haben, Fehler zu machen, oder sich gegenseitig zu über- oder unterfordern. 🙂

Zum Schluss möchte ich noch ein paar Anregungen geben, wie so ein „Kontakt halten“ konkret aussehen könnte:

  • einfach mal anrufen und fragen, wie der Tag war und ob die Person darüber reden möchte, wie es ihr geht
  • nach einem Arzttermin nachfragen, wie es war
  • falls man andere Betroffene mit ähnlichen Problemen kennt, Kontakte herstellen (natürlich nur, falls gewünscht :))
  • kleine Geschenke, wie eine Karte oder etwas Leckeres, was den Betroffenen schmeckt, machen immer Freude
  • nach einer Einladung beim Aufräumen und Abspülen helfen
  • Ermutigung: Sage Betroffenen, was du an ihnen schätzt und magst. Sie bekommen durch viele Einschränkungen und teilweise wenige Kontakte oft kaum Anerkennung und Wertschätzung.

Und die folgende Punkte sind besonders wichtig für Betroffene, die alleine leben:

  • anbieten Einkäufe zu übernehmen
  • Mitfahrmöglichkeiten anbieten
  • Hilfe im Haushalt anbieten
  • Unterlagen von Behörden und Ärzten/Krankenkassen gemeinsam durchgehen

Diese Kontakt-Ideen und weitere Inspirationen für diesen Artikel habe ich übrigens aus dem Buch „Wie ein Schmetterling im Käfig. Perspektiven für ein Leben mit chronischer Krankheit.“ von Frauke Bielefeld, das ich sehr empfehlen kann. Es ist hauptsächlich für chronisch Kranke geschrieben, aber auch teilweise an deren Familien und Freunde, sowie Therapeuten und Ärzte gerichtet. Es gibt einen sehr guten und ehrlichen Einblick in das Leben einer chronisch Kranken und viele praktische Hilfestellungen in Hinsicht auf alle möglichen Bedürfnisse, die ein Mensch haben kann und hat somit einen sehr ganzheitlichen Ansatz.

Damit komme ich auch zum Ende und freue mich über Kommentare mit Ideen von dir, was man noch alles machen kann, um chronisch Kranke zu unterstützen, bzw. was du, als Betroffene/r, dir von deiner Familie und deinen Freunden wünschst. Oder berichte gerne auch von schönen Erlebnissen, die du zu diesem Thema hattest.

In diesem Sinne: lasst uns Inklusion leben und
stay connected and spread the love! <3

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Rückblick: Das erste Jahr mit Diagnose

Teil 3/3

Leider waren meine „Krankheitsgeschichten“ im Juli noch nicht abgeschlossen. Im Juli und August ging es mir meistens recht gut, und wir genossen u.a. auch eine sehr schöne Wanderung bei uns im Fichtelgebirge. Ende August erlebte ich zum ersten Mal fast eine ganze Woche Fatigue. Das war eine ziemliche Herausforderung. Man ist nicht krank, hat aber tagelang keine Kraft, um irgendetwas nennenswertes zu machen. Ich fragte mich, ob das wieder aufhören würde, ob mein Gesundheitszustand je wieder stabiler werden würde und wie es denn werden würde – in dem Moment, in dem ich gerade wieder anfangen wollte mit dem Arbeiten. Mein erster Arbeitstag lag genau in dieser Fatigue-Woche. Ich überstand den Tag trotzdem relativ gut und war froh, dass ich am ersten Tag erst etwas später kommen sollte. Ich überlegte, ob ich mich so schwach fühlte, weil ich mir in dieser Zeit besonders viele Sorgen über die finanziellen Umstände und über die Zukunft gemacht hatte, wie zB meine Rente usw. Auch wenn man diese Zusammenhänge wohl nie wirklich beweisen kann, ist festzustellen, dass jegliche Art von Stress und Sorgen die Gesundheit negativ beeinträchtigen können. Auch relativ plötzlich.

Nur eine Woche später war die Hochzeit einer lieben Freundin, die wir musikalisch mitgestalteten. Ganz anders als sonst. Ich spielte Klavier und Synthies und sang nur 2. Stimme, so gut es ging. Eine Freundin und mein Bruder übernahmen den Hauptgesang. Ich war extrem aufgeregt (bin ich immer, wenn ich vor Publikum Klavier spiele) und wir übten oft (was ich für solche außergewöhnlichen Konzerte dringend brauche, damit ich mich halbwegs sicher fühle). Aber, Gott sei Dank, hat alles geklappt und wir hatten alle eine sehr schöne Hochzeit. Das Wochenende war recht voll und am Montag ging es gleich weiter. Wir putzten das Ferienhaus meiner Schwiegereltern und übergaben es an die nächsten Mieter, da Bennys Eltern zu der Zeit im Urlaub waren. Am Dienstag arbeitete ich und am Mittwoch früh fühlte ich mich schon sehr schlapp. Ich hatte einen Termin bei meiner Logopädin, den ich natürlich trotzdem wahrnahm und danach waren wir zum Mittagessen bei Bennys Bruder eingeladen. Tja, das Alles war wohl doch etwas viel des Guten gewesen. Am Mittwoch Abend ging es mir richtig schlecht. Ich bekam Fieber. Nicht sehr hoch und auch nicht sehr lang, am nächsten Morgen fühlte ich mich schon etwas besser. Meine Hausärztin war gerade im Urlaub, also schrieb ich mal wieder meinem Nephrologen eine eMail. Er meinte, ich solle erst mal nichts unternehmen, solange das Fieber und/oder die Muskelschmerzen nicht schlimmer würden. Bis zum Wochenende ging es mir deutlich besser und ich dachte, dass ich den Mist diesmal recht schnell überstanden hätte. Mööp. Zu früh gefreut. Am Montag ging es erst so richtig los. Montag Abend knapp 39 Fieber. Benny machte mir Wadenwickel, Stirn kühlen… Nichts half. Das Fieber ging über Stunden nicht weg. Erst mit Tabletten (die ich eigentlich vermeiden wollte), wurde es nach einiger Zeit endlich besser! Deshalb dachte ich, dass ich jetzt wohl wieder ins Krankenhaus muss. Eine Vorstellung, die immer wieder leichte Panik in mir aufkommen lässt. Auch wenn ich nicht ganz genau weiß, warum. Also packte ich am Dienstag früh meine Sachen fürs Krankenhaus zusammen und rief meinen Arzt an. Der meinte aber, dass ich nicht ins Krankenhaus kommen sollte, sondern zu ihm in die Ambulanz zum Blutabnehmen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie glücklich ich war, dass er mich nicht ins Krankenhaus geschickt hat :D! Am Donnerstag bei der Untersuchung erklärte er mir, dass er, soweit möglich, eine stationäre Behandlung bei mir vermeiden möchte, da er Bedenken hätte, dass ich mich im Krankenhaus mit Corona infizieren könnte. Ich war ihm sehr dankbar für seine Offenheit und deshalb umso erleichterter, nicht ins Krankenhaus zu müssen, nachdem meine Blutwerte auf einen normalen Infekt deuteten.

Ganz ehrlich: ich bin extrem dankbar, dass mich dieser Nephrologe behandelt. Ich hatte im letzten Jahr mehrfach das Gefühl, dass Ärzte Angst vor mir oder vor Behandlungen allgemein hatten. Und das nicht nur, wenn ich Corona ähnlicheSymptome hatte. Ich will niemandem einen Vorwurf machen, ich fühle mich selbst ja auch oft ängstlich und von der Situation überfordert. Aber ich möchte hervorheben, dass mein Nephrologe mir immer einen Termin gegeben hat, nie Angst hatte sich anzustecken und mich mal lieber schnell ins Krankenhaus geschickt hat, damit er keinen Aufwand o.ä. mit mir hat. Somit hat er mich im letzten Jahr mehrfach vor einem unnötigen Krankenhaus-Aufenthalt „gerettet“ und mir einige Röntgenstrahlen und Antibiotika-Behandlungen erspart. Das schätze ich enorm.

Aber zurück zum Infekt: den konnte ich tatsächlich mit Geduld aussitzen, ohne weitere Maßnahmen. Nach insgesamt ca. 2 Wochen, fühlte ich mich wieder fit genug zu arbeiten und konnte langsam wieder am normalen Leben teilhaben. Gerade rechtzeitig für Bennys Geburtstag, den wir im engen Freundes- und Familienkreis feierten. Nach der Feier hatte ich allerdings nochmal mit Fatigue zu kämpfen… Und in diesen Tagen war ich seelisch mal wieder ein einem Tiefpunkt angekommen. Es war so schwer damit klar zu kommen, dass ich ständig krank werden könnte. Und dass so ein leichter Infekt, den ich noch bis vor einem Jahr vielleicht gar nicht weiter bemerkt hätte, mich 2 Wochen oder länger flach legen konnte. Und jedes Mal die Angst davor, dass es etwas Schlimmeres werden könnte. Dass ich vielleicht doch ins Krankenhaus muss und weitere böse Diagnosen anstehen…

Auch die Einsicht, dass sich meine Gesundheit immer noch nicht wirklich stabilisiert hatte, machte mir zu schaffen. Und dann kam das Gefühl dazu, dass meine Freunde langsam auch nicht mehr an mich dachten. Oder vielleicht auch einfach mit der Situation überfordert waren, weil das alles kein Ende zu nehmen schien. Ich hatte das Gefühl, dass meine Freunde mich nicht mehr mochten, sich mein Gejammere nicht mehr anhören wollten, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollten. Ich wünschte mir mehr Anrufe, mehr Nachrichten mit ehrlicher Anteilnahme. Benny versuchte ständig mich aufzuheitern und meine Gedanken mit mir differenziert zu betrachten. Ob ich mich jetzt nur so fühlte, weil es mir schlecht ging und ich vielleicht ein besonderes Aufmerksamkeitsbedürfnis hatte, aber ansonsten eigentlich alles normal war – wie immer eben, oder ob da wirklich was dran war an meinen Gefühlen. Ich weiß nicht, ob ich so richtig zu einem Ergebnis kam. Wahrscheinlich war es tatsächlich nicht viel anders als sonst. Allerdings rief mich so ziemlich am Tiefpunkt dieser Phase eine Freundin an, mit der ich zwar sehr gut befreundet bin, wir aber schon immer nur sehr sporadischen Kontakt hatten. Ich hatte sie seit meiner Zeit im Krankenhaus nicht mehr gesehen. Sie fragte mich, ob sie mich spontan besuchen kommen dürfte. Ich sagte natürlich sofort zu und freute mich riesig. Am selben Tag kamen dann spontan auch noch mein Bruder und ein anderer Freund vorbei. Wir hatten eine echt gute Zeit und extrem gute Gespräche. Zwei Tage später fragte ein weiterer Freund, ob er uns mal wieder besuchen könnte. Es war wie Balsam für meine Seele. So viele Besuche, ohne dass man Leute explizit einlädt und für sie kocht oder bäckt, waren sehr ungewöhnlich und bereiteten mir unheimlich viel Freunde. Es war, als ob Gebete oder Wünsche erfüllt wurden, die ich nie konkret ausgesprochen hatte, und ganz sicher hatte ich sie keinem meiner Freunde erzählt. Freunde zur rechten Zeit am rechten Ort können die Welt heller werden lassen und die Bekki fröhlich machen ;).

Wunderschöner Junggesellinnen-Abschied meiner Freundin. <3

Es ging mir also wieder besser, aber trotzdem merkte ich, dass ich wirklich gut aufpassen muss. Einen Tag mal etwas mehr gearbeitet (auch wenn es sich gut anfühlte), und schon konnte es sein, dass ich am Tag darauf oder mehrere Tage kaum etwas machen konnte. Und es wurde tatsächlich etwas komplizierter durch die Tatsache, dass unsere Mitbewohnerin Anfang November auszog. Auf der einen Seite war das für mich zwar eine große Erleichterung, da ich in den letzten Monaten bemerkt hatte, dass ich durch mein vermehrtes Ruhebedürfnis lieber in keiner WG mehr wohnen wollte, um selbst bestimmen zu können, wann andere Menschen mit bei mir Zuhause sind, und wann nicht. Deshalb tat mir die neu gewonnene „Freiheit“ sehr gut. Auf der anderen Seite hatten wir dadurch deutlich mehr Kosten zu tragen, was mir wiederum innerlich Druck machte, so viel wie möglich zu arbeiten. Auch in eine kleinere Wohnung zu ziehen wäre im Moment nicht wirklich eine Option, da ich 1. (noch) keine Kraft dafür hätte und 2. uns diese Wohnung hier sehr gut gefällt und etwas vergleichbares (auch mit weniger qm) würde sogar teurer sein, als unsere jetzige Bleibe. In dieser Spannung zu leben und gleichzeitig seine Kräfte gut einzuteilen und sich nicht zu übernehmen, ist sehr herausfordernd. Trotz allem haben wir es geschafft zu zweit (es war ja schon wieder Lockdown), unser Schlafzimmer umzuziehen und unsere Wohnung umzugestalten. Nach dem Schleppen eines schweren Schranks, musste ich zwar wieder eine Zeit mit Fatigue kämpfen, aber wir haben es geschafft und schlafen nun in einem schönen, geräumigen und viel ruhigeren (weil nicht mehr zur Straßenseite hin gelegenen) Schlafzimmer, das einen begehbaren Kleiderschrank hat :).

Die Adventszeit konnte ich richtig genießen. Irgendwie schaffte ich es, mir nicht so viel Arbeitsdruck zu machen und hatte so eine ruhige Advents- und Weihnachtszeit. Ich dekorierte nach Lust und Laute, besorgte und verpackte Geschenke und das alles fast immer ohne Druck und nur, wenn ich Kraft und Muse dazu hatte. Dazu hat der Lockdown sicherlich auch einen großen Teil beigetragen… Benny und ich saßen abends am Adventskranz, manchmal mit Kinderpunsch ;), zündeten Kerzen und Räucherkerzen an und lasen gemeinsam eine besinnliche und inspirierende Geschichte. Genau so hatte ich es in meiner Kindheit geliebt. Und erst jetzt hatten wir es zum ersten Mal geschafft, diese lieb gewonnen Familientraditionen neu zu beleben.

Ich erinnerte mich an das letzte Jahr, meine Zeit im Krankenhaus, die Diagnose, den Schock, die Angst. Ich telefonierte mit meiner ehemaligen Bettnachbarin aus dem Krankenhaus und war so dankbar diese Zeit dieses Jahr so intensiv und mit relativ wenig Beschwerden genießen zu dürfen.

Hallo 2021 in ganz kleiner Runde und mit Ausgangssperre am Balkon.

Ist das ein Happy End? Jein. Das erste Jahr mit Diagnose hörte gut auf und ich hoffe und bete, dass es so weiter geht, bzw. noch besser wird. Allerdings habe ich trotzdem noch Beschwerden. Ich habe seit Februar 2020 Husten mit Auswurf und keiner weiß, wo er herkommt und ob er wieder geht. Ich habe durch diesen Husten manchmal das Gefühl nicht so ganz gut Luft zu bekommen, was gerade in Corona-Zeiten ein echt beschissenes Symptom ist, weil man schnell Angst bekommt, sich irgendwo angesteckt zu haben. Ich habe manchmal Schmerzen im Brustbereich, manchmal Bauchschmerzen, manchmal Kopfschmerzen, Schwindel, Muskelschmerzen, juckende Pusteln am Körper, Hautpilz an verschiedenen Stellen… Und natürlich muss ich weiterhin meine Kräfte sehr gut einteilen und aufpassen, dass ich mich nicht übernehme. Und keiner kann mir wirklich sagen, wo alle diese Symptome herkommen (abgesehen vom Pilz, der wohl durch die Immunsuppression verursacht ist). Aber es gibt auch viele gute Tage, an denen ich von diesem Symptomen fast nichts merke, oder sie so leicht sind, dass ich recht gut damit klarkomme. Ich bin also noch lange nicht da, wo ich gern wäre, aber ich lerne, mit der Situation klar zu kommen, damit gut umzugehen, und versuche mir meine Freude zu bewahren und dankbar zu sein. Dazu passt, zum Abschluss, perfekt dieses Gedicht, das mir aus der Seele spricht, und das ich euch nicht vorenthalten kann:

Ich übe noch

Jedem Morgen begegnen mit sanftem Mut,
den das Leben braucht, um zu wachsen,
ich übe noch.
In jedem Auge die Seele sehen,
durch alle Masken hindurch und ihr trauen,
ich übe noch.
Hinter allen Ängsten Wahrheiten finden,
mir selber glauben,
ich übe noch.
In tiefem Staunen die Schönheit atmen
des Augenblicks und des Lebens selbst,
ich übe noch.
Durch alle Narben hindurch das Glück spüren,
den Wandel erlauben, immer neu,
ich übe noch.
Sein ohne zu fragen, im Fluss des Lebens
und alles Lebendige zu schützen ohne Wenn und Aber,
ich übe noch.
Den Lebensdank groß werden lassen
und spürbar und bunt, um gehen zu können, jederzeit,
ich übe noch.
Lieben im Pulsschlag der Zeit wider alle Vernunft
mit aller Hingabe,
ich übe noch.

Sabine Rachl (aus Mirjam Schambeck, Elisabeth Wöhrle: Im Innern barfuß. Auf der Suche nach alltagstauglichem Beten.)

Beitragsfoto vom wunderbaren @baer_lukas .

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